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Eine Bühne für Operette, Lustspiel und Varieté

Das Central-Theater aufder Waisenhausstraße galt als eine der glanzvollsten Unterhaltungsstätten.

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Von Dietmar Schreier

Kaum zu glauben, dass es eine Zeit gab, wo in Dresden die Operette gleich auf mehreren Bühnen zu Hause war. Neben dem populären Residenztheater in der Zirkusstraße bestimmte vor allen das Central-Theater auf der Waisenhausstraße 6 die Szene. Kurz vor der Jahrhundertwende hatte der Hofjuwelier Wilhelm Heinrich Mau das Grundstück erworben, auf dem sich seit etwa einhundert- fünfzig Jahren das Palais Boxberg befand. Dieser Mann war bei den Dresdnern kein Unbekannter. Sein 1892 errichtetes Viktoriahaus genoss wegen der prächtigen Fassade im Stil der Neorenaissance allgemeine Aufmerksamkeit und Bewunderung.

Ein pompöses Gebäude

Trotz energischer Einsprüche der Denkmalpflege wurde 1899 das Boxbergische Palais abgebrochen. In nur wenigen Monaten wuchs dort ein pompöses Gebäude in „rauschendem Neobarockstil” empor. Die Architekten William Lossow und Hermann Viehweger errichteten auf 7500 Quadratmetern Grundfläche einen viergeschossigen Theaterbau, dessen Mittelgiebel eine dominante Kuppel abschloss. Die Außenfassade war mit dekorativen Schmuckelementen überhäuft und übertraf an äußerem Pomp noch den Kaiserpalast am Pirnaischen Platz. Das Bauwerk wurde in den Zeitungen als „elegantestes und größtes Theater der Residenz“ empfohlen.

Ein Saal für 1 600 Besucher

Im riesigen Theatersaal konnten 1600 Gäste bequem sitzen. Für weniger finanzkräftige Besucher hatte man Stehplätze im Parkett und im zweiten Rang eingerichtet. Der im Neobarock gestaltete Saal besaß grüne Wandflächen und an der weiß-goldenen Decke befand sich ein mächtiges Kolossalgemälde. In kräftigen Farben gemalt waren Landschaften mit Flamingos, blühende Büsche mit Papageien und Szenen am Meer dargestellt. Auch das Weib mit dem Riesenpfau konnte man dort bewundern.

Im Blickpunkt der Zuschauer lag die 12,5 Meter breite Bühne. Über den Vorhang mit seinen nacktbusigen Damen empörten sich Teile des Dresdner Publikums. Dabei stand für Hans Unger, den Schöpfer des Werkes, hauptsächlich die Versinnbildlichung der „leichten Muse“ im Vordergrund. Während der Pausen sorgten Hunderte von Glühlampen im Foyer für festlichen Glanz und die großzügig gestalteten Wandelgänge mit den geschmackvollen Buffets luden zum Flanieren und Verweilen ein.

Die Akustik des Zuschauerraumes war weniger günstig. Sie genügte aber dem anfänglichen Vorhaben, Varietévorführungen zum Vier-Uhr-Tee zu bringen. Danach begann auch die Operette Fuß zu fassen. Im Sommer standen meist Lustspiele und Varietéveranstaltungen auf dem Programm und im Winter dominierten Operetten.

Unter Direktor Rotter, dem später Heinz Gordon folgte, gewann das Haus rasch an Profil. Stars wurden von auswärts herangezogen. Otto Reuter gastierte sowie in späterer Zeit auch Richard Tauber und Johannes Heesters. Über die Sylvesterveranstaltung am 31. Dezember 1908 konnte man im Dresdner Anzeiger lesen: „Im Central-Theater finden heute und bis einschließlich 6. Januar 1909 alltäglich zwei Vorstellungen statt. Nachmittags ½ 4 Uhr wird bei ermäßigten Preisen das Weihnachtsmärchen Peter und Paul reisen ins Schlaraffenland wiederholt. Donnerstagabend 7 Uhr wird bei gewöhnlichen Preisen zum siebenten Male Der tapfere Soldat, Operette in drei Akten, Musik Oscar Strauß, aufgeführt“.

1910 entzückte das „Schlierseer Bauern-Hundetheater“ die Dresdner. Vierzig dressierte Hunde führten in vier Akten eine „Hundecharakterposse“ auf. Als Höhepunkt im Spielplan galt stets die winterliche Operettensaison. Die Welterfolge der Komponisten Robert Stolz, Leo Fall, Franz Lehár, Oscar Strauß oder Eduard Künneke begeisterten das Publikum. „Der liebe Augustin“ von Leo Fall stand am 1. März 1913 bereits zum 67.Male auf dem Spielplan. Im Jahre 1915 machte sich der Erste Weltkrieg durch die Einberufung von Künstlern und Mitarbeitern bereits spürbar bemerkbar. Dennoch inszenierte man mit Bravour den „Florian Geyer“ von Gerhart Hauptmann. Die Nachkriegszeit verlangte dann wieder nach leichter Kost. Das Gastspiel der „Haller-Revue“ vom Berliner Admiralspalast traf 1925 den Geschmack der Zuschauer. Zeitweilig gab es ein „Nackttanzpaar“ und die jungen Damen vom Ballett des Central- Theaters waren immer eine Augenweide.

Rastelli im Central-Theater

1927 verwöhnte die Winterfeld- Truppe aus Berlin mit „Uschi“ und „Annemarie“ das Publikum. Danach standen „Die tolle Lola“ und „Lene, Lotte, Liese“ auf dem Programm. Die Eintrittspreise schwankten im Laufe der Zeit. Gewöhnliche Abendpreise, ermäßigte Nachmittagspreise und Sommerpreise bestimmten das Angebot. Anfang der Zwanzigerjahre war für die Orchesterloge als teuerste Sitzreihe ein „gewöhnlicher Abendpreis“ von 4,50 Mark zu entrichten. Nahm man dagegen die Stehgalerie im zweiten Rang in Kauf, so ermöglichten bereits 50 Pfennige den Eintritt. In den Dreißigerjahren zog Direktor Peter Sachse berühmte Artisten heran. Der italienische Meisterjongleur Enrico Rastelli kam ins Central-Theater und im Mai 1936 glänzte der unvergängliche „Grock“ mit seiner Kunst. Welterfolge wie „Die lustige Witwe“ oder „Der Vetter aus Dingsda“ bestimmten den Spielplan. Noch 1944 spielte man hier mit viel Erfolg die Operette „Hochzeitsnacht im Paradies“.

Gastronomischer Geheimtipp

Lossow und Viehweger hatten mit der „Central-Theater-Passage“ noch eine besondere Attraktion geschaffen. Gleich drei gastronomische Einrichtungen des Theaters warben hier um die Gunst der Passanten, denn die Passage konnte man von der Waisenhaus-, Prager- oder der Trompeterstraße aus erreichen. Neben einem Café mit Wintergarten und einem Weinrestaurant galt besonders das Tunnel-Bierrestaurant als Geheimtipp. Unter den mächtigen Tonnengewölben fanden bequem 1000 Gäste Platz. Vortreffliche Biere und reichhaltige Speisen verwöhnten das Publikum und zur Unterhaltung gab es täglich Konzerte bei freiem Eintritt. Zur letzten Vorstellung im Central- Theater vor dessen kriegsbedingter Schließung gab es die „Hochzeitsnacht im Paradies“. Die Eintrittskarten waren hochbegehrt. Star auf der Bühne war kein Geringerer als Johannes Heesters.

Das Gebäude brannte beim Bombenangriff im Februar 1945 aus und wurde später abgetragen.

Im Herbst 2009 erscheinen Geschichten

dieser Serie von Dietmar Schreier unter dem

Titel „Es war einmal in Dresden“ als Buch.