Eine bunte Scheune auf grauem Acker

Kalkreuth. Nein, er habe nichts gegen die Fußballer von Dynamo Dresden. „Im Gegenteil, ich habe mich gefreut, dass sie am Sonntag gewonnen haben“, sagt Bauer Uwe Behrisch. Er besitzt in der Nähe von Kalkreuth eine Scheune, die mitten auf einem Getreidefeld steht. Das Gebäude, das weithin sichtbar ist, wurde im Juni mit einem Dynamo-Schriftzug beschmiert. Aber so richtig beschmiert.
Nicht nur mit Farbspray, wie man es leider schon gewohnt ist, sondern mit einer Art Teeranstrich. Unbekannte hatten die Bitumenflüssigkeit wahrscheinlich von einer benachbarten Straßenbaustelle entwendet und damit die Giebelseite der Scheune mit der Sympathiebekundung für den Traditionsverein aus Dresden „verziert“. „Da habe ich mich richtig geärgert“, sagt Behrisch. „Denn ich lasse mir meine Scheune nicht gern anschmieren. Und dann auch noch mit Teer!“
Das war 14 Tage vor den Sommerferien. Jetzt ist davon nichts mehr zu sehen. Denn der Großenhainer Künstler Sebastian Bieler hat ein riesiges Graffiti an die West- und Südseite gesprüht. In grünen Farbtönen, mit Heuschrecke, Biene und Marienkäfer. Das ist nicht die Reaktion auf die Dynamo-Schmiererei, sondern ein bereits länger geplantes Kunstwerk im Auftrag des Sächsischen Landkuratorium Ländlicher Raum e.V., das am Montag übergeben wurde.
„Bei bestimmtem Sonnenlicht sieht man den Dynamo-Schriftzug noch durchschimmern“, sagt Bieler, dem das Übermalen des Teers richtig viel Mühe bereitete. Auch ohne diesen ungeplanten, zusätzlichen Aufwand hatte er sich diesen Auftrag wesentlich einfacher vorgestellt. „Ich dachte, ich schaffe das in zwei Wochen“, erzählt er. „Aber Pustekuchen, daraus wurden insgesamt vier.“
Und auch die Materialmenge hatte Bieler kolossal unterschätzt. Er benötigte die vierfache Menge an Farbspraydosen. „Aber das ist nun mal das unternehmerische Risiko“, sagt der Großenhainer Graffiti-Künstler und verrät: „Ich habe viel an dieser Fassade gelernt.“
Auch über sich selbst. Denn eigentlich habe er Höhenangst. Doch, um die rund sieben Meter hohe Scheune besprühen zu können, musste er auf eine Leiter steigen. Ein Gerüst sei nicht infrage gekommen, weil die Stangen und Streben Schatten auf die Fassade geworfen hätten, wodurch das gleichmäßige Besprühen noch schwieriger geworden wäre, erklärt Bieler.
Durch die konzentrierte Arbeit an der Feldscheune habe er seine Höhenangst verdrängt. „Ich war abgelenkt“, erinnert er sich. Nur wenn Wind blies – und davon gab es auf der freien Fläche reichlich – wurde er daran erinnert, was das für eine wackelige Angelegenheit war. Und das auch noch zum Teil bei extremer Hitze. „Es gab Tage, da habe ich fünf Liter Wasser getrunken und auch gut gegessen und war trotzdem am Abend zwei Kilo leichter als noch am Morgen“, so Bieler.
Er erzählt begeistert, wie dieses riesige Bild entstand. Mit all den Schwierigkeiten und auch einzigartigen Momenten. „Ich habe die Getreideernte live miterlebt“, berichtet er. Die Mähdrescher seien dicht an ihm vorbeigefahren. Passanten hätten am Straßenrand angehalten und interessiert nachgefragt, was das werden soll. Aber am Schönsten sei für ihn gewesen, dass es ein Auftragswerk war, bei dem es keine Vorgaben gab und er künstlerisch absolute freie Hand hatte. Bieler: „Diese Arbeit war schon ein Meilenstein für mich.“
Peter Neunert, dem Geschäftsführer des Sächsischen Landkuratoriums Ländlicher Raum, gefällt das bunte Scheunenbild. Er wünscht sich mehr davon. „Es ist uns ganz wichtig, Sichtpunkte im ländlichen Raum zu setzen“, sagt er. Sie sollen nicht nur Blickfang sein, sondern zum Nachdenken über Werte, Lebenseinstellungen und soziale Beziehungen anregen. Und wenn sie auch nur einen Moment beim Vorbeifahren die Hektik des Alltags vergessen lassen. Dann sei das Ziel erreicht.
Scheunenbesitzer Uwe Behrisch ist jedenfalls mit dem Bild sehr zufrieden. Das sieht viel schöner aus als irgendwelche Schmierereien aus Teer.