Von Christine Gruler
Wenn Helena Kauko aus dem Fenster ihrer Wohnung schaut, blickt sie auf uraltes Gemäuer: Schloss Burgk, ehemals Sitz der Freiherrlich von Burgker Steinkohlen- und Eisenhüttenwerke, samt Gutshof und Park.
Ein Anblick, bei dem sie ins Schwärmen gerät: „Es ist jedes Mal wie im Märchen“, erzählt die 28-jährige Finnin. So viel Historie in Stein kenne sie aus ihrer Heimat nicht. Die Siedlungen mit den dunkelroten Holzhäusern und den Kirchen aus Backstein gibt es dort nur noch sehr vereinzelt. Beton und Plattenbauten prägen das städtische Finnland: „Hässlich“, kommentiert Helena Kauko mit sanftem Naserümpfen. Andererseits vermisse sie die Natur, das viele Grün, das die vergleichsweise dünn besiedelten finnischen Städte präge. Immerhin, Wald findet Helena in Freital-Burgk, mehr als in Dresden. Und mit ihr kann sich auch Ruben bei täglichen Spaziergängen über das dichte Dach aus Bäumen und viel Bewegung freuen. Ruben ist ein finnischer Lapphund und war noch kein Jahr alt bei seiner Übersiedlung – das Rentiertreiben steckt ihm in den Genen. Während Ruben jedoch von Anfang an ausgelassen über den Windberg tobte, musste sich Frauchen erst gewaltig umstellen: „Nicht nur im Wartezimmer, auch im Wald sagen die Leute ,Guten Tag!’“ Wildfremde Leute! Was der blonden Helena 2003 auf freier Flur erst unheimlich erschien, weiß sie mittlerweile als deutsche Höflichkeit zu schätzen. Ja, es ist wie in den Kaurismäki-Filmen, bestätigt sie ein Klischee über ihre Landsleute: „Man spricht halt nicht so viel.“
Die 28-Jährige hat an der TU Dresden gerade das erste Staatsexamen in Kunstpädagogik für den Unterricht an Grundschulen abgelegt. Was sie den Schülern hier wünscht, ist mehr Selbstständigkeit, weniger Druck. Warum, fragt sie zum Beispiel, müssen die Kleinsten hier gleich mit dem Füller umgehen? „Wir haben anfangs nur mit dem Bleistift geschrieben.“ Auch die in Finnland erst in der 10.Klasse anstehende Entscheidung über die weitere schulische Laufbahn empfiehlt die junge Finnin mit Blick auf die Pisa-Studien.
Manches braucht seine Zeit. Helenas eigene Biografie zeigt das. Im Gymnasium schon hat sie Deutsch gelernt, sie zeichnet gern. Nach dem Abitur macht sie zunächst eine Ausbildung im Tourismus. Schließlich war es ein Informatiker aus Dippoldiswalde, der in Lahti ein Praktikum absolvierte und Helena nach Deutschland „entführte“.
Im Sommer 2008 wird Kauko ihr Referendariat an der Kamenzer Montessori-Schule antreten, auf dem Weg zum zweiten Staatsexamen. Auf attraktive Job-Angebote zur Überbrückung wartet sie noch. Im Dezember stand sie jeden Tag im „Finnland-Stübchen“ auf dem Dresdner Striezelmarkt. Denn neben Lachs und Rentierfleisch, Preiselbeersaft und flauschigem Fell gilt ihre Liebe auch der Holzkunst aus dem Erzgebirge.