SZ +
Merken

Eine Frage der Ähre

Bäcker Hübner hat auf eine alte Roggensorte umgestellt, die in Klitten angebaut wird. Bald erntet der Horkaer selbst.

Teilen
Folgen
© André Schulze

Von Katja Schlenker

Horka. Die Ähre ist fast so groß wie er. Bäcker Armin Hübner hält Norddeutschen Champagnerroggen neben sich. Der wird bis zu zwei Meter hoch. Und ist etwas ganz Besonderes. Seit vorigem November nutzt er die alte Getreidesorte. „Weil er vom Geschmack her kräftiger ist als andere Roggensorten“, sagt der Bäckermeister. „Dieser kräftige aromatische Geschmack ist bei neuen Sorten nicht mehr so vorhanden.“ Auch wenn das besondere Getreide teurer ist als der übliche Roggen, hat der Horkaer Bäcker darauf umgestellt. Brot und Brötchen, bei denen das Getreide genutzt wird, werden nun mit dem Champagnerroggen gebacken.

Der stammt ursprünglich aus der gleichnamigen Region in Frankreich. Von dort ist er im frühen 19. Jahrhundert nach Deutschland gekommen und zu einer der verbreitetsten Winterroggensorten geworden. Bis in die 1960er Jahre wird das Getreide aus der Champagne hier angebaut. Unter anderem bei der Agrargenossenschaft Klitten. Aus landwirtschaftlicher Sicht reizt es ihn, die alten Getreidesorten anzubauen, sagt Vorstand Maik Apelt. Der Norddeutsche Champagnerroggen ist nicht die einzige Sorte. Auch Pommerscher Dickkopf und Heines Goldthorpe werden auf den Feldern angebaut. Dabei handelt es sich um einen alten Winterweizen und eine Braugerste.

Zwar wird bei den alten Sorten weniger geerntet, aber dafür haben diese entscheidende Vorteile. Der Champagnerroggen zum Beispiel hat eine dicke, kompakte und mittellange Ähre. Diese hat volle und längliche Körner. Die Getreidesorte ist widerstandsfähig und anspruchslos. Die nährstoffarmen Sandböden, die es hier in der Region zum Teil gibt, stellen kein Problem für die Pflanzen dar. Ebenso sind diese tolerant gegenüber Witterungsextremen, vor allem wenig Wasser. Der Champagnerroggen ist also überaus robust und winterfest. Ähnlich ist es bei den anderen alten Getreidesorten.

Interessant für die Landwirte ist zudem, dass Champagnerroggen keinen chemischen Mineraldünger benötigt. Auch Pflanzenschutzmittel müssen nicht zum Einsatz kommen. Das Getreide eignet sich also hervorragend, um biologisch zu produzieren. Dennoch ist der Anteil der alten Sorten relativ gering. Etwa 15 Prozent macht deren Anteil gegenüber den herkömmlichen Sorten aus, welche bei der Agrargenossenschaft Klitten angebaut werden. Rund 27 Hektar des Champagnerroggens werden angebaut, erklärt Maik Apelt. Beim Pommerschen Dickkopf sind es fünf und bei Heines Goldthorpe zwei Hektar. Die finden dann aber auch Abnehmer.

Nachdem er vier Jahre lang gesucht hat, habe er nun auch jemanden gefunden, der Buchweizen nimmt, sagt Maik Apelt. Dieser wird in diesem Jahr erstmals auf einer Fläche von rund fünfzig Hektar angebaut. Ein Händler im süddeutschen Raum hat Interesse an dem Knöterichgewächs. Buchweizen wird oft zu Graupen, Grütze, Grieß oder Mehl verarbeitet. Damit werden vor allem Breigerichte zubereitet, aber auch Suppen, Fladen und sogar Nudeln. Buchweizengrütze zum Beispiel quillt gut auf und ist daher ähnlich sättigend wie Hirse.

Auch wenn der Markt für die alten Sorten nicht sehr groß ist, sei er von Anfang an begeistert gewesen von der Idee, diese anzubauen, sagt Landwirt Maik Apelt. Darauf angesprochen hat ihn Diplom-Agraringenieurin Eva Lehmann vom Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Sie betreut das Projekt. Für Bäcker sind die alten Getreidesorten vor allem deshalb interessant, weil sie besser verträglich sind und zum Teil auch für Allergiker eine Alternative darstellen.

Bäcker Hübner in Horka hat den Champagnerroggen voriges Jahr im Oktober ausprobiert. Das Ergebnis hat ihn überzeugt. Zumal er den Weg des Getreides vom Feld über die Rätze-Mühle in Spittwitz bei Bautzen bis in den eigenen Betrieb nachvollziehen kann. Und das wird bald noch besser gehen. Denn Armin Hübner plant, ab 2017 den eigens für ihn angebauten Champagnerroggen zu verwenden. Dieser soll in diesem Herbst in Waldhufen angesät und im kommenden Jahr geerntet werden.

Und dass die alten Getreidesorten gesünder und besser verträglich sind als die modernen Züchtungen, ist mittlerweile auch wissenschaftlich bewiesen. Das liegt an deren hohen Ballaststoffanteil, dem Gehalt an Mineralstoffen und deren natürlich zusammengesetzten Proteinmustern. Dennoch sind die Backwaren mit den alten Getreidesorten noch immer ein Geheimtipp. Vielleicht ändert sich das aber bald. Denn mancher Kunde fragt mittlerweile gezielt nach Brot und Brötchen mit dem Champagnerroggen.