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Eine Halbzeit mit Luft nach oben

Die erste Hälfte der Amtszeit von Oberbürgermeister Alexander Ahrens ist um. Einige Wahlversprechen konnte er umsetzen. Aber reicht das?

Von Marleen Hollenbach
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Die Hälfte ist rum: Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) startet jetzt den zweiten Teil seiner Amtszeit.
Die Hälfte ist rum: Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) startet jetzt den zweiten Teil seiner Amtszeit. © SZ-Uwe Soeder

Bautzen. Seit er sein Amt antrat, wird Bautzens Oberbürgermeister immer wieder mit demselben Vorwurf konfrontiert. Kritiker bemängeln, mit ihm an der Spitze habe sich in der Stadt nichts getan. Über diese Kritik ärgere er sich nicht, meint Alexander Ahrens (SPD) und sagt: „Demokratie ist ein Geduldsspiel. Man muss dicke Bretter bohren.“ Vor dreieinhalb Jahren zog der 53-Jährige ins Rathaus ein. Mit Vollgas und vielen Visionen. Der OB wollte zum Beispiel die Innenstadt wiederbeleben, die Wirtschaft stärken, die Bürgerbeteiligung verbessern und Bautzen für die Jugend attraktiver machen. Was daraus geworden ist:

Politik für die Bürger: Gibt es tatsächlich mehr Beteiligung?

Anlässlich der Halbzeit hat der Oberbürgermeister selbst Bilanz gezogen und dabei auch aufgelistet, was er erreicht hat. Auffällig dabei: Von den mehr als 30 Punkten beschäftigen sich etliche mit der Bürgerbeteiligung. Podiumsdiskussionen, Streitgespräche, Vorträge – in den vergangenen Jahren bat die Stadt die Bürger gleich bei mehreren Veranstaltungen um ihre Meinung. Gemeinsam wurde über ein neues Leitbild für Bautzen diskutiert. Zehn Diskussionsrunden gab es allein zu diesem Thema. Ahrens organisierte in den einzelnen Stadtteilen Einwohnerforen und ging mit dem Demokratiebus auf Tour.

Zusätzlich lud der OB regelmäßig zu Bürgersprechstunden. Ein Angebot, das rege genutzt wird. Mit 450 Bürgern der Stadt konnte Alexander Ahrens dort bereits sprechen. Einen richtigen Bürgerentscheid hat es in seiner Amtszeit aber noch nicht gegeben. Der OB hat allerdings in Aussicht gestellt, dass die geplante Fußgängerbrücke über die Spree ein Thema für eine solche Abstimmung sein könnte.

Der OB setzt auf die Wirtschaft: Geht es Bautzens Unternehmen gut?

Es war eines der ersten Amtshandlungen. Kurz nachdem Ahrens zum neuen Oberbürgermeister gewählt wurde, erklärte er die Wirtschaftsförderung zur Chefsache. Aber hat sich seither tatsächlich etwas verbessert? Größere Neuansiedlungen gab es in den vergangenen Jahren nicht. Ein Deal mit einem Medizintechnik-Unternehmen platzte sogar. Statt sich im Salzenforster Gewerbepark anzusiedeln, entschied sich die Firma für eine Ansiedlung in Görlitz. Bautzen entgingen dadurch 60 neue Arbeitsplätze. Es gibt aber auch gute Nachrichten. Die hier ansässigen Firmen erzielten immer höhere Umsätze und auch die Einnahmen durch die Gewerbesteuer sind gestiegen – von rund 16 Millionen Ende 2015 auf 19,2 Millionen Euro Ende 2017.

Mehr Angebote für die Jugend: Ist Bautzen lebenswerter geworden?

Das Interesse der Bautzener Jugend an ihrer Stadt wollte der OB wiederbeleben. Einen richtigen Jugendbeirat sollte es aber nicht sein. Stattdessen entstand eine Jugendideenkonferenz, bei der in lockerer Form Kinder und Jugendliche an einen Tisch kommen. Ein Ergebnis daraus ist der neue Treff an der Kurt-Pchalek-Straße. Im vergangenen Jahr eröffnete dort ein selbst verwalteter Jugendklub. Die von Ahrens versprochene Skaterhalle lässt hingegen noch weiter auf sich warten.

Belebung der Innenstadt: Stehen jetzt weniger Läden leer?

Noch immer gibt es in der Altstadt etliche leere Schaufenster. Dagegen konnte auch der Oberbürgermeister wenig tun. Auch die von ihm noch im Wahlkampf favorisierte Brötchentaste lehnte Ahrens ab. Auf das kostenlose Kurzzeitparken müssen die Bautzener verzichten. Fest steht aber auch: Zwar gibt es in der Altstadt mehr als 70 leere Läden. Doch diese Zahl ist konstant, ging zuletzt sogar leicht zurück. Und es gibt Veranstaltungen, die sich zu Besuchermagneten entwickeln. So zählt zum Beispiel die Bautzener Einkaufsnacht „Romantica“ inzwischen mehr als 50 000 Besucher.

Ahrens Ziel: Was will der OB noch erreichen?

Vor allem für die Jugend will sich Bautzens Oberbürgermeister in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit einsetzen. Auf der Liste seiner Vorhaben stehen Jugendtreffs im Allendeviertel und im Gesundbrunnen. Ebenfalls im Stadtteil Gesundbrunnen möchte der OB eine Skaterbahn errichten. Sein Blick geht auch in Richtung Stausee. Dort möchte er den Rundweg ausbauen. Auf der Strecke Lauengraben/Steinstraße will Ahrens den Verkehr beruhigen. Aber auch der Wiederaufbau des Reichentors hat sich der OB noch vorgenommen.

So schätzen die Fraktionschefs den OB ein:

SPD-Fraktionschef Roland Fleischer: Unser Oberbürgermeister Alexander Ahrens hat das Schiff Bautzen übernommen und trotz heftigen Gegenwinds erfolgreich durch die letzten Jahre gelenkt. Durch seine weltoffene Einstellung, aber auch Liebe zu Bautzen deckt er viele Facetten der Stadtgesellschaft ab. Seine vorausschauende Sicht ermöglicht eine Entwicklung, die mehr als positiv ist. Wirtschaftszahlen, soziale Leistungen, erfüllte Wünsche der Bürger können sich sehen lassen. Beherzt und durchsetzungsfähig hat und wird er noch viel erreichen. Alexander Ahrens ist der Bautzener an der richtigen Stelle.

Grünen-Stadtrat Claus Gruhl: Für die zweite Hälfte seiner Amtsperiode fordern wir mehr Klarheit und Kommunikation bei der Arbeit im und mit dem Stadtrat beziehungsweise der Verwaltung hinsichtlich der verfolgten Ziele, der Prioritätensetzung und der Handlungsanweisungen. Die Nachhaltigkeit der Entscheidungen muss für die Stadtentwicklung handlungsleitend sein. Wir möchten auch eine Intensivierung der Arbeit in den regionalen und überregionalen Gremien, um der Bedeutung Bautzens als Mittelzentrum besser gerecht zu werden.

CDU-Fraktionschef Karsten Vogt: Alexander Ahrens zieht seine Halbzeitbilanz zu einem Zeitpunkt, wo sehr viel andere Arbeit in der Stadt Bautzen zu leisten ist. Die Stadt durchlebt die zweite große Krise in seiner Amtszeit. Beide Krisen (Krawalle auf dem Kornmarkt, Gespräch in der Maria-undMartha-Kirche), sind nicht an Alexander Ahrens oder an seine Amtsführung gebunden. Jedoch verbietet es sich von allein, in einer solchen Phase über den eigenen Erfolg nachzudenken. Jetzt gilt es als Oberbürgermeister, sich allein um das Wohl der Stadt zu kümmern. Herrn Ahrens beschäftigt jedoch seine Halbzeitbilanz, was auch sehr aufschlussreich bezüglich seiner Person ist.

FDP-Fraktionschef Mike Hauschild: Der Oberbürgermeister hat bisher politisch unklug agiert. Er hat zu einem gespaltenen Stadtrat und einer ebenso gespaltenen Stadtgesellschaft beigetragen. Das ist nun aber genau das Gegenteil seiner eigentlichen Aufgabe, als Bindeglied zwischen den Bürgervertretern (Stadträten) und der Stadtverwaltung. Wir reichen ihm trotzdem weiterhin die Hand, endlich mit den wartenden Zukunftsprojekten die Bautzener zusammenzubringen und die Macher zu unterstützen, anstatt den Nörglern noch mehr Plattformen zu geben. Er hat die Chance, die zweite Halbzeit dafür zu nutzen. Hoffentlich beginnt er bald damit.

Bürgerbündnis-Fraktionschef Steffen Tech: Die Mitglieder des Bürgerbündnisses betrachten die Halbzeit-Bilanz des Bautzener Oberbürgermeisters eher kritisch. Viele der aufgeführten Dinge wurden erst durch die Initiative einzelner Stadtratsfraktionen und entsprechende Anträge angestoßen, als Beispiele sind hier die Schulsternwarte oder die Altstadtbrücke zu nennen. Gerade die Rettung der Bautzener Sternwarte ist nicht sein Verdienst, schließlich hat die Verwaltung noch im Sommer 2018 die Schließung vorgeschlagen. Dass sich der Oberbürgermeister den Kauf der Krone auf seine Fahne schreibt, stößt bei vielen Stadträten und Bürgern auf Unverständnis, hat er doch selbst eine schnelle Entscheidung über viele Monate verzögert. Regelmäßige Stadtteilgespräche, Jugendbeteiligung, ein Leitbild und vieles andere mehr gab es schon lange vor der Ära Ahrens, hier wurde lediglich „das Fahrrad neu erfunden“. Bereinigt um diese Punkte fällt die Bilanz aus unserer Sicht eher unbefriedigend aus.

Linke-Fraktionschef Steffen Grundmann: Dass es nach 25 Jahren CDU-geführter Stadtverwaltung unserem neuen Oberbürgermeister Alexander Ahrens nicht leicht gemacht wird, war uns bewusst. Trotzdem hat er es geschafft – gemeinsam mit der Baubürgermeisterin Juliane Naumann und dem Finanzbürgermeister Robert Böhmer – für neuen frischen Wind in der Verwaltung und in der Stadt zu sorgen. Noch nie war die Arbeit der Bautzener Stadtverwaltung so transparent. Was er bisher erreicht hat, hat Alexander Ahrens selbst in seiner Halbzeitbilanz überzeugend präsentiert. Es gibt aber noch viel zu tun. Gerade was die Positionierung gegen rechte Hetze und Menschenfeindlichkeit betrifft – egal ob gegen Flüchtlinge, Sorben oder kritische Bürger – wünschen wir uns mehr klare Kante. Nicht nur dabei wird unsere Fraktion unseren Oberbürgermeister auch zukünftig tatkräftig unterstützen.

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