Eine Prinzessin mit Beruf

Sie heißen „Il Marchesino“, „Elisa ed Ernesto“ oder „Una Donna“: Mit zwölf abendfüllenden musikalischen Dramen und Komödien war Prinzessin Amalie von Sachsen die bedeutendste Opernkomponistin des 19. Jahrhunderts – und kommt heute nur als Randnotiz in der Musikgeschichte vor. Kaum verwunderlich: Seit ihrem Tod im Jahre 1870 werden ihre Opern, zu denen sie auch die Libretti in italienischer Sprache schrieb, nicht mehr aufgeführt. Zu romantisch, zu verspielt, ein Los, dass auch Männer ihres Fachs ereilte.

Manchmal zu unrecht, wie Helmut Branny meinte, der mit seinen Dresdner Kapellsolisten anlässlich des 150. Todestages der Prinzessin im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele am 27. Mai eine konzertante Aufführung der Oper „Elvira“ plante. Daraus wird nun nichts: Die Veranstaltung wurde wegen der Verbote im Zuge der Corona-Pandemie abgesagt. Schade, immerhin gehört „Elvira“ aus dem Jahre 1821 wohl zu Amalies besten Werken. Ihr Lehrer, Carl-Maria von Weber, der Komponist des „Freischütz“, notierte jedenfalls nach einer Aufführung: „Über meine Erwartung gut“ – höchstes Lob also.

Wie gut Amalies Musik tatsächlich ist, lässt sich in diesen Tagen auf dem Taubenboden des Schlosses Weesenstein erahnen. Dort erklingt die Ouvertüre zu „La Casa disabitata“ („Das unbewohnte Haus“), ihrer letzten Oper, uraufgeführt 1835. Eingespielt von den Kapellsolisten, die so auf die Sonderausstellung einstimmen, die zum ersten Mal überhaupt Prinzessin Amalie, Schwester der Könige Friedrich August II. und Johanns, ins rechte Licht rückt. In einer Umgebung, die Amalie wohl vertraut war. Sie weilte oft auf dem Weesenstein, dem Lieblingsschloss König Johanns.
Schreiben unter Pseudonym
Die Schau mit dem Titel „Der gute Ton“, kuratiert von Birgit Finger mit Unterstützung der Musikwissenschaftlerin Petra Andrejewski, ist eine Ehrenrettung für die wohl musisch begabteste Adlige des sächsischen Herrscherhauses. Amalie, geboren 1794, war die älteste Tochter von Maximilian von Sachsen und Caroline von Bourbon-Parma. Als Frau schien Amalies Rolle im Leben der Welt des Hochadels vorbestimmt: Heiraten, möglichst in ein anderes europäisches Herrscherhaus, und gesunde Nachkommen haben, gern männliche.
Amalie indes, die wegen eines Unfalls mit einer Kutsche im Kindesalter eine etwas schiefe Nase hatte, ansonsten aber, traut man den zeitgenössischen Abbildungen, insbesondere einem Gemälde des spanischen Meisters Vicente López Portaña, ein durchaus schönes Antlitz hatte, fand nie einen Mann, der sie haben wollte. Einmal war sie froh, als nämlich Kaiser Ferdinand von Österreich, der einen Wasserkopf hatte, sich anders entschied. Ein anderes Mal nicht, da nahm Leopold II., Großherzog der Toskana, statt Amalie ihre fünf Jahre jüngere Schwester Maria Anna.
Amalie, die ausgedehnte Reisen nach Spanien und Italien unternahm, widmete sich statt einer Familie dem Theater. Weil das in einem Königshaus nicht so gern gesehen wurde, schrieb sie unter Pseudonymen. A. Serena nannte sie sich, wenn sie Opern komponierte, Amalie Heiter, wenn sie Theaterstücke verfasste. Sie beherrschte das Lustspielrepertoire ihrer Zeit und wurde sogar international wahrgenommen. In Russland und Schweden zum Beispiel wurden Amalies Werke mit guten Erfolg auf renommierte Bühnen inszeniert.
Trotz ihres Erfolgs als Schriftstellerin lebte Amalie, die im Alter teilweise erblindete, sehr bescheiden. Die Einkünfte ihrer Stücke spendete sie für wohltätige Zwecke. Als sie in Pillnitz starb, vollendete sich für sie eine ihrer erfolgreichsten Opern im wahren Leben: „Alter und Jugend“.
Ausstellung „Der gute Ton“, bis Herbst 2021, Schloss Weesenstein, geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr.
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