Von Anja Beutler
Über diesen Satz muss Liane Soppa selbst ein bisschen schmunzeln: „Ich habe das Gefühl, dass ich in Rom immer deutscher werde.“ Die 40-Jährige stammt aus Bernstadt und lebt seit nunmehr 14 Jahren in Italiens Hauptstadt. Legt man da das Deutschsein nicht ab? „Nein, meine Wurzeln sind mir sehr wichtig“, sagt sie. Vielleicht, weil durch ihren kleinen Sohn eigene Kindheitserinnerungen erwachen? Gut möglich. Doch im Grunde, so weiß sie, ist sie längst beides: Römerin und Bernstädterin. Es komme nur auf die Perspektive an.

Die Römerin ist sie vor allem für ihre deutschen Freunde und die Familie, die sie zwei- bis dreimal im Jahr besucht. „Ich bin mit Ende 30 ja spät Mutter geworden“, sagt sie und erklärt, dass das in Italien, wo noch weniger Kinder geboren werden als in Deutschland, typisch ist. Damit falle man nicht unbedingt auf. In Deutschland schon: „Da ist man ja schon ab 30 spät dran“, analysiert sie. Dass einige ihrer Schulfreunde zwei, drei oder vier Kinder haben, ist für sie mittlerweile außergewöhnlich. „Deshalb konnte ich oft gar nicht verstehen, dass in Deutschland soviel über Nachwuchsmangel geklagt wird“, erklärt sie. „Im Vergleich zu Italien gibt es hier viele Kinder.“
Dass Frau Soppa, die schon seit ihrer Kindheit ein Faible für Italien hat, in Bernstadt auch heute gut Bescheid weiß, liegt wohl an dem intensiven Kontakt, den sie vor allem zu ihren Eltern gehalten hat. „Wir telefonieren eigentlich täglich“, sagt sie. Über die jüngsten Hochwasser-Ereignisse weiß sie deshalb ebenso gut Bescheid wie darüber, dass der Braune Hirsch wieder öffnen wird. „Darauf freue ich mich schon“, kommentiert sie. Auch deshalb, weil ihr das öffentliche Leben, das sie aus Italien kennt, in der alten Heimat ein bisschen fehlt. „Vor allem meinem Mann, der mich auf meinen Heimreisen begleitet, fehlt eine Bar, wo man einfach mal auf einen Kaffee hingeht“, sagt die Römerin.
So wie sie in Bernstadt in der Nähe des Marktes gewohnt hat, lebt sie auch in Rom mittendrin: „Wir wohnen in einer Eigentumswohnung, wie das üblich ist.“ Rom selbst sei chaotisch und für eine Hauptstadt klein und kompakt, beschreibt Liane Soppa. Zur Arbeit geht sie täglich ins Deutsche Historische Institut (DHI). Sie ist dort als Bibliothekarin zuständig für Kauf und Bestellung neuer Publikationen für das Institut. Das DHI ist vor allem bei Forschern, die zur deutsch-italienischen Geschichte arbeiten, bekannt und renommiert. Es ist das älteste deutsche geisteswissenschaftliche Institut im Ausland überhaupt.
Studiert hat die Bibliothekarin an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. „Danach habe ich zwei Jahre beim Aufbau des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig mitgearbeitet“, erinnert sie sich. Im Jahr 2000 ging es endlich nach Italien. „Endlich wieder“ muss es heißen, denn schon während des Studiums verbrachte die Bernstädterin ein Praxissemester in Florenz. „Und im Urlaub war ich natürlich auch schon mal da“, sagt sie. In Florenz hat sie aus ihrem Uni-Italienisch richtiges Italienisch gemacht. Aufs Geratewohl zog sie dann zu einer Freundin nach Italien, nur mit dem vagen Plan im Gepäck, sich einen Job zu suchen. „Bibliothek und Büro wollte ich nicht“, sagt sie. Doch dann erhielt sie einen halbjährigen Werksvertrag am DHI in Rom, rutschte in mehrere Elternzeit-Vertretungen und nach zehn Jahren wurde aus dem Stellenverlängerungsmarathon ein unbefristeter Job. Ihr Mann arbeitet nicht weit entfernt, aber in einem anderen Staat – in der Verwaltung des Vatikans. Ihren Mädchennamen hat sie übrigens trotz Hochzeit behalten: „Das ist hier so, geht gar nicht anders“, erklärt sie.
Mit der Rolle der Religion in Italien hat Liane Soppa keine Probleme. Ihre Familie ist katholisch und das erleichtere ihr einiges, sagt sie mit Blick auf protestantisch geprägte Kollegen. Dennoch war und sei es für sie befremdlich, dass ihre Kirche hier dominant und tonangebend ist. Das kannte sie aus der Oberlausitz anders. Auch was Verwaltung und Politik betrifft, denkt die Wahl-Römerin nicht immer wie eine Italienerin: „Manche Dinge verstehe ich inzwischen, einiges kann ich bis heute dennoch niemandem erklären“, sagt sie und denkt an die Klischees, die Italien prägen – von Berlusconi bis zum chaotischen Verkehr. Vielleicht liegt manches an der italienischen Geschichte, die viel mehr auch mediterran, also fast arabisch und afrikanisch, weniger europäisch geprägt ist, sagt sie.