Von Heike Sabel
Die Uhr hat ihr vor ein paar Jahren ihr Mann geschenkt. Es war der Wink mit dem berühmten Zaunspfahl. Sie sollte sehen, wie spät es ist, damit sie nicht immer so spät nach Hause kommt. Gesehen hat sie die Uhr und die Zeit, geholfen hat es nicht.
Jetzt nimmt sie die Uhr mit nach Hause. Genau wie die Blumen, die ihr eine Kollegin schon am Donnerstag geschenkt hat. Als Dank dafür, dass Monika Bäßler ihr oft den Rücken gestärkt hat und weil morgen so viel los sein wird. Morgen ist Monika Bäßlers letzter Arbeitstag als Leiterin des Pirnaer Berufsschulzentrums für Wirtschaft.
Sie geht nun, wie es so schön heißt, in die Ruhephase der Altersteilzeit. Von Ruhe will sie nichts wissen. In der morgigen Dienstberatung wollte sie noch „Dienstkram auf den Weg bringen“. Doch daraus wird nichts. Die Lehrer haben nur einen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt: Verabschiedung von Monika Bäßler. „Ich lasse mich überraschen.“
Ihren Schlüssel gibt sie so schnell noch nicht aus der Hand. „Eine Woche darf ich ihn noch behalten“, sagt sie. Sie will noch nicht vorher zusammen- und ausräumen. Sie will die Zeit bis zur letzten Minute auskosten und nutzen. Mit dem Gedanken, dass jetzt Schluss mit dem Arbeitsleben ist, kann sie sich nach wie vor nur schwer anfreunden.
Dabei weiß sie seit zweieinhalb Jahren, dass der 31. Januar 2012 ihr letzter Tag ist. Erst konnte sie es sich nie vorstellen, in Altersteilzeit gehen. Sie konnte gut mit der Aussicht leben, bis 65 zu arbeiten. „Auch dann wäre es mir noch schwer gefallen.“ Trotzdem geht sie jetzt. Ihr Enkel war die Entscheidungshilfe. Für den will sie nun da sein. Ab Mittwoch.
Einmischen bis zuletzt
Noch aber beginnen ihre Sätze mit wir müssen, wir wollen, wir werden. Wir wollen Gesundheits- und Erzieherberufe ins Haus holen, ist so einer. „Ich rede, als ob ich noch zehn Jahre hier bin“, sagt sie und schüttelt mit dem Kopf. Es ist, als ob sie damit etwas abschütteln will, was sie doch nicht von einem Tag auf den anderen beenden kann. Zu prägend waren die vergangenen Jahre. Das Hochwasser, die Sanierung, die jetzige Diskussion um die Zukunft. Dass „ihre“ Schule Außenstelle des Technik-BSZ werden soll, gefällt ihr gar nicht. Gegen eine Fusion hat sie prinzipiell nichts, nur gegen den Namen Außenstelle. Für sie wären es einfach Standort eins und Standort zwei. In diese Debatte bringt sie sich ein. Bis zum letzten Tag.
Manchmal hat sie zu viel geredet, sagen manche. Fünf Gesamtlehrerkonferenzen pro Schuljahr seien eine Menge. Anderswo reichen zwei. Aber sie wollte, dass die Lehrer immer Bescheid wissen. „Was die alles ausgehalten haben in den vergangenen Jahren“, sagt Monika Bäßler über ihre Kollegen und meint damit ihr vieles Reden, ihren Klartext, die manchmal vielleicht zu vielen Ideen und auch die langen Bauzeiten. Monika Bäßler ist am Ende glücklich über das, was geworden ist, und hofft, dass der Geist des altehrwürdigen Hauses und ein bisschen auch ihrer in die Zeit nach dem 31. Januar überschwappt.
Am Mittwoch wird Monika Bäßler ausschlafen. Dann muss sie nicht auf die Uhr schauen. Nachdem es in Pirna morgens um sieben zur ersten Stunde klingelte, freut sie sich darauf. Mit der Idee, das erste Klingeln wenigstens eine halbe Stunde nach hinten zu verschieben, erlebte Monika Bäßler eine Bauchlandung. Sie musste einsehen, Pirna ist nicht Dresden.
Einladung zum Abiball
Vor neun Jahren wollte sie nicht weg aus Dresden. Doch das Schulamt fragte nicht, schickte sie nach Pirna. In Dresden war sie seit 1972 Berufsschullehrerin und Schulleiterin gewesen. In Pirna begann sie in dem Jahr nach der Flut, als „nichts ruckte“. Nach einem Jahr Pirna ruckte es und Monika Bäßler wollte nicht mehr weg.
Nun wechselt sie nicht nur die Schule, sondern einen Lebensabschnitt. Das ist schwer für die 62-Jährige. Im Sommer, zwischen den Schuljahren, ging es ihr damit ganz schlecht. Zu Weihnachten hat sie sich vorgenommen, es zu akzeptieren. Jetzt ist sie in Balance mit sich, sagt sie. Alles hat seine Zeit, und die für die Schule und die Arbeit ist nun zu Ende. „Ich muss nur noch den 31. überstehen.“ Zum Abiball kommt sie wieder. Die Schüler haben sie schon eingeladen.