Von Dorit Oehme
Die Linsensuppe hat Christa Hentschel vorgekocht. Bis zum Mittagessen will sie auf den Marktplatz gehen. Die 80-Jährige ist eine von fünf Helferinnen der katholischen Pfarrei St. Pius X. in Wilsdruff, die vom 2. bis 11. April Geld sammeln, für die Caritas, dem diakonischen Werk der katholischen Kirchen. Ihre erste verplombte Büchse ist schon voll und recht schwer. Unterm Schlitz lugt Papiergeld hervor. Mit der zweiten Büchse kommt sie aus der Pfarrhaus-Wohnung. Auf einem Aufkleber steht: „Herz braucht Hände“.
„Sie gewinnen ein Lächeln. Investieren sie in Menschlichkeit“, lautet das Motto der Sammelaktion. Christa Hentschel zieht stellvertretend für Hilfsbedürftige los. Nach wenigen Metern spricht sie die erste Frau an: „Haben sie ein Scherflein für meine Büchse?“ Erika Trommer ist eine frühere Nachbarin, die Kinder haben zusammen gespielt. Sie zückt freundlich lächelnd ihr Portemonnaie. „Wir sammeln dieses Mal für Familien, die dringend Erholung brauchen, aber kein Geld dafür haben“, erklärt Christa Hentschel. Als sechsfacher Mutter liegt ihr dieses Teil-Anliegen besonders am Herzen.
„Für mich sind auch die Gespräche wichtig, die ich unterwegs führe“, erklärt Christa Hentschel. Vielen ist sie bekannt. Seit 1945 lebt die geborene Oberschlesierin in der Stadt. Als gelernte Kindergärtnerin hat sie in ihrer Pfarrei die Frohhergottsstunde für Vorschulkinder begonnen, den Religionsunterricht für Grundschüler gegeben, aber auch die Caritasgruppe aufgebaut. Bis heute spielt sie Orgel.
Ein Stück laufen und beten
Mit der Büchse steht die Seniorin in der Öffentlichkeit. Heiter und ein wenig burschikos spricht sie die Passanten an. Eine Frau geht extra in ein Geschäft, um Geld zu wechseln. Eine andere sucht tief am Taschenboden unter Champignons und Spargel nach der Geldbörse. Christa Hentschel geht auch in Geschäfte und Banken. Die Apothekerin gibt an diesem Vormittag eine Spende.
Jedem steht es zu, auch Nein zu sagen. Filmreif aber ist ein langsam vorbei rollender Fahrradfahrer. „Ich habe keine Bremse!“, ruft er gegen das Büchsengeklapper an. Die 80-Jährige lacht. Dann offenbart sie: „Wenn mal nur Absagen kommen, laufe ich ein Stück und bete.“
„Die Ergebnisse der Sammlungen helfen wirtschaften. Frei verfügbare Mittel sind insbesondere vor dem Hintergrund zunehmenden Rückgangs öffentlicher Fördergelder wichtig“, unterstreicht Claudia Kern, Pressesprecherin der Caritas im Bistum Dresden-Meißen.
Christa Hentschel hat im Jahr 2003 die höchste Auszeichnung für ehrenamtlich engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas-Konferenz Deutschland verliehen bekommen – das Elisabeth-Kreuz.