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Eine Tasse Kaffee zur Therapie

Görlitz. Seit gestern steht Suchtkranken ein Treff in der Langenstraße offen.

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Von Varinia Bernau

„Alkanti“ steht in schwarzen und roten Buchstaben auf dem weißen Schild. Es anzumontieren, wird eine der ersten Amtshandlungen von Dietmar Hawelky und seinen 15 Mitstreitern von der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle (PSBB) sein. Sie betreuen ab heute den offenen Treff für Suchtkranke in der Stadtmission auf der Langenstraße.

Vielleicht komme das Schild ins Fenster, überlegt Hawelky. So eine Art Signal, dass der Name des Treffs zugleich Programm ist: Alkohol gibt es hier nicht. Dafür Kaffee, Kartenspiele und ein gutes Gespräch.

Isolation mit der Abhängigkeit

Die Einrichtung ist ein Anlaufpunkt für Menschen, die Alkohol oder andere Drogen aus der Bahn geworfen haben. „Will ein Suchtkranker seine Sucht in den Griff bekommen, braucht er Möglichkeiten, seine Freizeit ohne die Suchtmittel zu gestalten“, sagt Suchtberater Frank Lehnert von der PSBB. Nicht selten gehe etwa mit dem regelmäßigen Griff zur Flasche die Partnerschaft in die Brüche, der Arbeitsplatz verloren. Der Alkoholabhängige stehe plötzlich allein da – oder nur noch im Kontakt zu Menschen, die ebenso wie er selbst Langeweile nicht mit Aktivität, sondern mit Alkohol entgegen treten.

Parallel zu den Volleyballturnieren und Schachnachmittagen, den Fahrten zu Museen und Theatern in der Region, die die PSBB immer mal wieder anbietet, soll der Treff eine feste Größe werden – Um einerseits Anreize für ein abstinentes Leben zu geben und andererseits bei der Strukturierung des Alltags von Suchtkranken zu helfen.

„Während ihrer Therapie in einer Klinik haben Suchtkranke eine klare Tagesstruktur und intensive Kontakte zu anderen Menschen. Kommen sie an ihren Heimatort zurück, finden sie eine geradezu gegenteilige Situation vor, können damit überfordert sein und rückfällig werden.“ Angebote wie das des Treffs in der Langenstraße helfen, den Teufelskreislauf aufzubrechen.

Streetworking als Aufgabe

In dem hellen Raum im Erdgeschoss der Stadtmission steht ein langer Tisch, über den eine grüne Decke gespannt ist. Auf der Fensterbank ein Radio, Blumentöpfe und ein kleines Pappschild, auf dem sich ein rotes Verbotszeichen über eine qualmende Zigarette spannt.

Ganz gezielt will Dietmar Hawelky auf Suchtkranke in der Stadt zugehen und sie für das Hilfsangebot gewinnen: „Wir kennen die Punkte, an denen sie sich treffen und wollen das direkte Gespräch suchen.“ Manche der Mitarbeiter, die den Treff betreuen werden, haben selbst lange Zeit ihren Kampf mit der Sucht ausgefochten. Eine Bereicherung sei dies für die Arbeit vor Ort, zeigt sich Marion Dünnbier aus dem PSBB-Team überzeugt: „Alkoholabhängige schätzen den Ratschlag von ehemaligen Alkoholikern.“ Eigene Erfahrungen, so ihre Beobachtung, kommen besser an als Zitate aus dem Lehrbuch.

Regelmäßige Frauenrunde

Auch eine Runde nur für Frauen soll es regelmäßig geben. „Viele scheuen sich, ihre Probleme in einer großen oder einer gemischten Gruppe anzusprechen“, sagt Marion Dünnbier. Diese Frauen will sie aufbauen und anspornen. Ein Gespräch über Gott und die Welt, da ist sie sich sicher, hilft manchmal schon, um ihnen ein Stückchen Selbstbewusstsein zurückzugeben.