Handwerk hat goldenen Boden. An diese Volksweisheit glaubt Günter Rötzsch schon lange nicht mehr. Von seiner Hände Arbeit kann er mehr schlecht als recht leben. Der 52-Jährige hat einen Beruf, der wohl in der nächsten Generation in Deutschland aussterben wird. Er ist Böttcher. Nach eigenen Angaben gebe es davon nur noch drei in Sachsen. „Rentner nicht mitgezählt“, sagt er. Sie würden nur noch zum Hobby Fässer bauen.
Seit 1875 gibt es die Böttcherei und Tischlerei Rötzsch in Staucha. Vom Großvater gegründet hat Günter Rötzsch sie nach der Wende von seinem Vater übernommen.
„Früher pfuschte keiner rein.“
„In die Böttcherei pfuschte früher keiner rein“, so Rötzsch. Mit „keiner“ meint er in erster Linie Baumärkte, die ab 1990 überall in Ostdeutschland aus dem Boden schossen. Plastikkübel und -eimer, die dort für wenig Geld angeboten werden, haben sein Handwerk nahezu überflüssig gemacht. Denn wer hat schon eine so dicke Brieftasche, um sich einen Pflanzkübel aus Eichenholz für 60 bis 100 Euro zu leisten, auch wenn dieser mindestens zehn Jahre hält?
Zudem werden Holzfässer aus Osteuropa im Internet angeboten. „Da kann ich nicht mithalten“, sagt Rötzsch. Die einzige Chance, die er hat, ist durch Qualität zu überzeugen. Viele Aufträge kommen durch Mundpropaganda zustande. Auch auf Märkten, wie am Sonntag in der Hebelei, ist er häufig anzutreffen. Doch dort verkauft er meistens nur kleinere Raritäten wie Stiefelknecht und Melkschemel. Auf Holzeimern und Blumenkübeln bleibt er meist sitzen, weil sie für Marktbesucher eher schlecht zu tragen sind.
Jetzt im Sommer, wenn viele Leute im Urlaub sind, verdient er wenig. Mancher Hartz-IV-Empfänger würde dafür früh nicht aufstehen, sagt er. Obwohl das Geld oft knapp ist, lässt sich Rötzsch auf eine moderne Unsitte nicht ein. Auf das Feilschen. „Ich habe auch meinen Stolz“, sagt der gelernte Möbeltischler. „Ordentliches Handwerk muss schon bezahlt werden.“
Trotz aller Engpässe mag er mit niemanden tauschen. „Ich böttchere gern. Alles, was rund ist, ist mein Fall.“ Er liebt die Atmosphäre seiner Werkstatt, den Duft des Holzes und die Arbeit mit Schraubzwingen und Fasslehren, die schon sein Großvater benutzt hat.
Als Stellmacher baut er auch Kutschenräder und Sensenbäume. Die Kunst, Holzschrauben für Weinpressen und Pökelfässer herzustellen, beherrschen nur noch wenige. „Ich bin fast der Einzige“, sagt er und ist stolz darauf.Jörg Richter
Der Bauernmarkt am Sonntag in der Hebelei steht diesmal unter dem Motto „Blumenfest und altes Handwerk“. Beginn ist 10 Uhr.