Von Tobias Wolf
Unscheinbar wirkt der Bus von außen. Nichts deutet darauf hin, dass in dem blauen Doppeldecker zwölf Menschen, darunter sieben Kinder und Jugendliche illegal nach Deutschland gebracht worden sind.
Doch im Inneren gefriert dem Betrachter das Blut. Durch eine winzige Klappe in der filzbespannten Wand des Gepäckabteils geht es in eine kleine schmutzige Kammer unter der Treppe. Es ist dunkel. Stickig. Eng. Das Atmen fällt schwer. Gerade mal 90 Zentimeter ist das Kabuff hoch. Auf einer Fläche von 1,50 Meter mal 80 Zentimeter sollen sich nach Ermittlungen der Bundespolizei mindestens sechs Menschen gedrängt haben.
Bundespolizisten hatten den griechischen Reisebus am Sonntag vor dem Hauptbahnhof gestoppt und zunächst alle Insassen festgenommen. Bei späteren Vernehmungen hätten die Flüchtlinge angegeben, dass sie während der Fahrt nur sehr selten aus den Verstecken heraus durften, sagte Sascha Reichelt, Sprecher der Bundespolizeidirektion Pirna gestern. Sechs Grenzen und rund 2400 Kilometer liegen zwischen Athen und Dresden.
„Eigentlich sollte in diesem Raum ein Wassertank für Waschbecken und Toilette untergebracht sein“, sagt ein Beamter der Spurensicherung, der den Bus am Dienstag komplett untersucht hat. „Den haben die Schleuser ausgebaut.“ Der Zugang zu dem Raum ist mit einer dicken Stahlschiebetür gesichert, die nicht von innen geöffnet werden kann – für Menschen mit Platzangst eine Horrorvorstellung.
Zwei Tage wie in einem Verlies
Damit es nicht auffällt, haben die mutmaßlichen Schleuser einen 20-Liter-Tank in die Schiebetür eingebaut, falls Polizisten bei einer Routinekontrolle den Wassereinfüllstutzen des Busses testen wollen. Der Nachteil: Die Toilette funktioniert nicht mehr. Mit entsprechend vielen Pinkelpausen ist der Bus deshalb locker zwei Tage unterwegs gewesen. Im Oberdeck sieht es nicht besser aus. Es wirkt, als wären die legalen Passagiere des Busses, eine griechische Reisegruppe, gerade erst ausgestiegen. Essenreste liegen herum: angebissene Fladenbrote, offene Wurstpackungen, Käse und Kaffeebecher. Der Geruch erinnert eher an eine verrauchte Bahnhofskneipe als an einen Bus.
Hinter der letzten Sitzreihe wird es wieder eng. Um in das zweite Versteck zu kommen, muss einer der Sitze komplett ausgebaut werden. Durch eine bilderrahmenkleine Tür geht es dahinter hinein. Der Verschlag wirkt zuerst größer als der andere, ist 1,80Meter lang und 1,30 Meter hoch. Dafür ist es zwischen der Trennwand und der blau angestrichenen Außenscheibe nur 40 Zentimeter tief. Wie in einem Verlies kauerten auch hier sechs Menschen, eingezwängt wie Ölsardinen. Ob die zwölf Flüchtlinge in den engen und stickigen Räumen überhaupt genug Luft zum Atmen hatten, klärt seit gestern die Dekra im Auftrag der Bundespolizei. Denn das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Strafe, die den mutmaßlichen Schleusern droht. Waren die Menschen in den Verstecken in Lebensgefahr, ist die Tat besonders schwerwiegend zu beurteilen, erklärt Bundespolizist Reichelt. Bis zu zehn Jahre Haft gibt es dafür. Den minderjährigen Flüchtlingen, soll es den Umständen entsprechend gut gehen, sagt Undine Kunzmann vom städtischen Kinder- und Jugendnotdienst. „Wir haben sieben Afghanen im Alter von 13 bis 17 Jahren aufgenommen, darunter zwei Geschwisterpaare.“
Zwei Kinder geflohen
Zwei davon (14 und 17 Jahre alt) sind seit Dienstagmorgen wieder verschwunden. Laut Polizei sollen sie auf dem Weg nach Hamburg sein, wo sie Verwandte hätten. Zwei erwachsene Afghanen haben Asyl beantragt und sind an die Zentrale Aufnahmestelle in Chemnitz verwiesen worden, sagt Rathaussprecher Karl Schuricht. Was aus den anderen geworden ist, bleibt vorerst unklar. Zumindest die Behörden konnten dazu gestern keine Auskunft geben.