Von Carmen Schumann
Straßenbahn fahren in Bautzen? Das gibt‘s doch gar nicht! Doch, das gibt‘s! Auf der neuen Teststrecke im Bombardier-Werk kann man 800 Meter weit mit einer Tram fahren. Aber natürlich nicht immer, sondern nur, wenn der Betrieb ein Jubiläum zu feiern hat. Am Sonnabend lud das Unternehmen der kanadischen Bombardier Transportation alle Bautzener zum „Tag der offenen Tür“ anlässlich „160 Jahre Waggonbau in Bautzen“ ein.
Das ließen sich die Bautzener nicht zweimal sagen. Rund 7 500 Besucher stürmten das weitläufige Betriebsgelände zwischen Spreebrücke und Fabrikstraße. Und die frisch eingeweihte Teststrecke war erwartungsgemäß eine der Hauptattraktionen, ungefähr die Hälfte aller Besucher ließ sich das außergewöhnliche Fahrerlebnis nicht entgehen, auch Dieter Möser nicht. Obwohl er schon 20 Jahre im Waggonbau arbeitet, hatte er selbst noch nicht die Möglichkeit, auf der Teststrecke zu fahren.
Fachmännisch erklärt er: „Diese Tram ist für die Frankfurter Verkehrsbetriebe bestimmt“, und fügt hinzu „an der habe ich nicht mitgewirkt, obwohl ich in der Endmontage arbeite. Das liegt daran, dass bei uns jeder seine speziellen Aufgaben hat.“ Für die vielen neugierigen Mitfahrer erklärt eine Lautsprecherstimme, dass diese Bahn für 70 Stundenkilometer ausgelegt ist. „Doch so schnell dürfen wir hier nicht fahren“, erläutert die Stimme. „Auf gerader Strecke fahren wir 30 Stundenkilometer, in der Kurve 20 und an der Steigung zehn km/h.“ Außerdem erfahren die Passagiere, dass die Bahn von einem Tempomat gesteuert wird.
Viel zu schnell ist das Erlebnis schon wieder vorbei. Am Ende der Teststrecke angekommen, werden die Fahrgäste wieder an den Ausgangspunkt zurücktransportiert, wo schon die nächsten warten. Auch Bärbel Gebhardt findet die Fahrt viel zu kurz. Sie hat von 1962 bis 2000 im Waggonbau als Disponentin gearbeitet und fühlt sich immer noch sehr verbunden mit ihrem alten Betrieb. „Wenn ich etwas über den Waggonbau lesen kann, bin ich sehr froh“, sagt sie. So war es für sie keine Frage, den „Tag der offenen Tür“ zusammen mit ihren Enkelkindern zu nutzen. In der großen Endmontage-Halle konnte man sich ebenfalls Straßenbahnen von innen anschauen. Dabei lief der „Kleine Hecht“, Baujahr 1938, den neuen Maschinen beinahe den Rang ab.