SZ +
Merken

Einsam durch die Wildnis

Die Wunde schmerzt. Mit Mullbinden verarztet Holm Jähne die Blasen an seinen Füßen. Nach 14 Stunden Wandern gönnt sich der Neukircher endlich Ruhe. 46 Kilometer haben ihn seine Beine heute getragen – quer durch die einsamen Weiten Lapplands in Nordschweden.

Teilen
Folgen

Von Sebastian Martin

Die Wunde schmerzt. Mit Mullbinden verarztet Holm Jähne die Blasen an seinen Füßen. Nach 14 Stunden Wandern gönnt sich der Neukircher endlich Ruhe. 46 Kilometer haben ihn seine Beine heute getragen – quer durch die einsamen Weiten Lapplands in Nordschweden. Jetzt will er ein paar Stunden ruhen, bevor es morgen weiter geht. Neben einem schmalen Bach schlägt er sein Ein-Mann-Zelt auf.

Klapprige Hängebrücken

Der 53-Jährige erfüllt sich gerade einen langen Traum. Mit einem Arbeitskollegen startet der Hydraulikmechaniker beim legendären Fjällräven Classic – einem 110 Kilometer langen Wanderlauf auf dem sogenannten Kungsleden. Der Weg zählt unter Experten zu den schönsten der Welt. Die Tour führt mitten durch die karge Gebirgswelt nördlich des Polarkreises und vorbei an den langgestreckten Gletschern im Abisko-Nationalpark. Auf ihrem Weg überqueren die Abenteurer zahlreiche Flüsse und Sümpfe. Die einheimischen Ureinwohner haben über sie die Hängebrücken oder schmale Holzbretter gebaut. „Schwindelfrei sollte man da schon sein“, erzählt Jähne.

Die Natur nördlich des Polarkreises wirkt nahezu unberührt. Elche und Rentiere sind hier zu Hause. Die nächste Stadt liegt 200 Kilometer entfernt. Sie zählt rund 1000 Einwohner. Bei einem Notfall in der Wildnis könnte nur ein Hubschrauber helfen. Rund 500 Euro würde der Einsatz kosten.

Doch daran denkt der Neukircher Holm Jähne jetzt nicht. Er sitzt vor seinem Zelt und genießt die untergehende Sonne hinter den knapp 2000 Meter hohen Bergen, die sich links und rechts des Tals auftürmen. Sie gleicht einem riesigen Feuerball. Das Termometer zeigt noch angenehme zehn Grad an. Nur die vielen Mücken stören die Wildnisromantik. Während auf dem Gaskocher die Nudelsuppe vor sich her brodelt, denkt Jähne an zu Hause. Er beginnt zu vergleichen: „In Deutschland gibt es viel zu viel Hektik. Das macht die Menschen krank.“ Aber auch mit anderen Touren kann der Abenteurer die aktuelle Reise in den hohen Norden nicht vergleichen. Dabei hat Jähne schon einiges gesehen. Seit vielen Jahren wandert er. Zweimal war er bereits mit dem berühmten Südtiroler Extrembergsteiger Hans Kammerlander in den Alpen unterwegs. Auch die Hohe Tatra kennt er seit DDR-Zeiten gut.

Mittlerweile ist es 23 Uhr und die Sonne hinter den Bergen Lapplands verschwunden. Richtig dunkel wird es hier im Sommer trotzdem kaum. Das bringe das Zeitgefühl völlig durcheinander, erklärt Jähne.

Auch das Klima setze ihm zu. Die Gründe kann er schlecht beschreiben. Aber sein Körper fühle sich geschwächter an, als bei den Touren bis auf 4000 Meter Höhe in den Alpen. Dabei hatte sich Jähne auch diesmal gut auf die mehrtägige Tour vorbereitet. Zuhause, in Neukirch, fährt er viel Rad und im Winter läuft er oft Skilanglauf. Vielleicht strengt ihn aber auch das schwierige Gelände an. Der Fjällräven Classic führt oft über kilometerlange Geröllhalden. Trittfestigkeit sei da wichtig, erklärt Jähne. Kurze Zeit später verschwindet er im Schlafsack, um sich für die nächste Tagesetappe zu erholen.

Am nächsten Morgen stehen Jähne und sein Kollege zeitig auf. Sie wollen die komplette Tour in 72 Stunden schaffen, um im Ziel das goldene Abzeichen zu bekommen. Nach dem ausgiebigen Frühstück packen beide schnell ihre Rucksäcke. Sie haben nur das nötigsten dabei, was sie auf ihrem Weg brauchen. Trotzdem wiegen ihre Sachen rund 20 Kilo.

Goldmedaille im Ziel

Neben Schlafsack, Isomatte und Zelt verstauen sie Regensachen und Verpflegung in ihren Rucksäcken. Wasser finden sie an den zahlreichen Quellen. Dann wandern sie bei strahlendem Sonnenschein weiter. Jähnes Füße schmerzen kaum noch. Die Mullbinden haben geholfen. Bereits nach einigen Stunden erreichen die beiden die nächste der insgesamt fünf Stationen auf der Strecke. Dort erhalten sie einen Stempel in ihre Wanderpässe. Diese lösen sie später im Ziel gegen die goldene Medaille ein.

www.fjallraven.de/classic