Einsam stirbt ein Mann aus Neukirch

Neukirch. Es gibt sie hin und wieder, diese Geschichten, die ans Herz gehen und berühren. Eine davon ist die von Gerald Opitz. Dabei beginnt sie sehr traurig: Der 63-Jährige, den viele in Neukirch nur als „Opi“ kannten, starb am 27. Mai allein in seiner Wohnung. Die Suche nach Angehörigen förderte keine Ergebnisse zutage. Die Gemeinde kam ihrer kommunalen Aufgabe nach und veranlasste die Einäscherung des Leichnams. Dafür fielen Kosten in Höhe von etwa 2 000 Euro an. Ähnlich pragmatisch würde die Erzählung im Normalfall weitergehen, erklärt Hauptamtsleiter Gerald Bär: „Da wir mit öffentlichen Geldern hantieren, sind wir verpflichtet, Sozialbestattungen so kostengünstig wie möglich durchzuführen.“ Konkret heißt das, ginge es nach den gesetzlichen Vorgaben, stünde Opi nur eine anonyme Seebestattung zu. Kostenpunkt für diesen nackten Verwaltungsakt: weitere 290 Euro.
Aber nicht immer sind Regelungen und Paragrafen das Maß aller Dinge und Opis Geschichte ist nicht der Normalfall. Denn immer wieder fragten Einwohner bei der Gemeindeverwaltung nach anderen Möglichkeiten der Beisetzung an, signalisierten Bereitschaft zur Unterstützung und machten deutlich: Opi soll seine letzte Ruhe im Herzen der Oberlandgemeinde finden.
Aktiv im Fußballverein
Schließlich ergriffen Mitglieder des TSV 90 die Initiative. Dessen Geschäftsführerin Susanna Jähne erinnert sich: „Als wir von der geplanten Seebestattung erfahren haben, mussten wir schwer schlucken.“ Kein Wunder – jahrelang unterstützte der Neukircher, der um die Wendezeit in die Oberlandgemeinde zog, den Verein ehrenamtlich. „Wir hatten Probleme, ausreichend Schiedsrichter zu finden. Opi war immer hilfsbereit und wollte unbedingt etwas Sinnvolles machen“, erklärt Susanna Jähne. Schon bald pfiff der Fußballnarr die Spiele der Kinder und Jugendlichen genau wie die in der Altersklasse der alten Herren. „Manchmal stand er fast das ganze Wochenende auf dem Platz“, sagt Jähne heute.
Doch nicht nur durch sein Engagement im Fußballverein war Opi in der Gemeinde bekannt. „Er war ein Unikum. Jeder hat ihn gekannt“, versichert Susanna Jähne. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil er über 25 Jahre lang den Neukirchern zuverlässig die Zeitung zustellte. Mit einem Leiterwagen und immer auch mit einem Lächeln im Gesicht, wie Jähne versichert: „Im ersten Moment wirkte Opi wie ein Luftikus. Aber er war ein herzensguter, lieber Mensch.“

Keine Frage daher für Susanna Jähne und die Mitglieder des TSV 90, dass „ihrem“ Opi ein würdiges Begräbnis zusteht. Das Problem: „Mit unseren finanziellen Mitteln wäre das Vorhaben nicht stemmbar gewesen, und als Verein dürfen wir zu diesem Zweck nicht um Spenden werben“, erklärt Jähne, die beruflich die Neukircher Gemeindekasse verwaltet.
Die Gemeinde, die ihrerseits Spenden solcher Art einnehmen und auch entsprechende Quittungen ausstellen darf, richtete ein Verwahrkonto ein. Medien wurden auf die ungewöhnliche Spendenaktion aufmerksam. „Wir müssen aufpassen, dass uns die Aktion nicht über den Kopf wächst“, sagt Susanna Jähne inzwischen mit einem Augenzwinkern.
Kirche trägt einen Teil der Kosten
Doch es kam noch besser: Auch die Neukircher Kirchgemeinde sicherte ihre Unterstützung zu. „Er war ein Neukircher, also soll er auch hier begraben werden“, begründet Pfarrer Jörg Briesovsky. Außerdem, sagt er, sei die Kirche grundsätzlich gegen anonyme Bestattungen. „Insofern finden wir den Einsatz der Neukircher absolut begrüßenswert. Er kommt unseren Ansichten schließlich sehr entgegen.“ In Rücksprache mit Verein und Gemeinde fand sich eine finanziell günstige Lösung für die Bestattung. Die Kirchgemeinde trägt zudem die Kosten für die Nutzung der Trauerhalle. 2 500 Euro wird der Liegeplatz auf dem gemeindeeigenen Friedhof für einen Zeitraum von 25 Jahren kosten. „Mittlerweile ist absehbar, dass wir den benötigten Betrag erreichen“, sagt Hauptamtsleiter Gerald Bär. Auch für ihn ist eine solche Sammelaktion nicht alltäglich. „Aber sie zeigt, dass der dörfliche Zusammenhalt noch funktioniert“, freut er sich. Die Trauerfeier soll nach Bärs Aussage „mit Bordmitteln“ gestemmt werden. Um deren Organisation kümmert sich der TSV 90. Dessen Geschäftsführerin bittet dafür jene, die noch über Fotos oder Anekdoten aus dem Leben von Gerald Opitz verfügen, um Zusendung des Materials. „Je mehr wir haben, desto schöner und individueller kann die Trauerfeier gestaltet werden“, sagt sie hoffnungsvoll. Vermutlich nach den Sommerferien sollen Opis sterbliche Überreste dann auf dem Neukircher Friedhof ihre letzte Ruhestätte finden.
Sollte anschließend Geld aus der Spendenaktion übrig bleiben, soll das nach Aussage von Gerald Bär den Neukircher Vereinen zugutekommen.
Spenden können noch bis 31. Juli auf das Verwahrkonto der Gemeinde Neukirch unter der IBAN DE28 8555 0000 1000 5001 08 überwiesen werden. Material zum Leben von Gerald Opitz nimmt Susanna Jähne entgegen unter [email protected]