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Einsatz für das fliegende Auge

Gegen Raser, Drängler und rollende Zeitbomben – die Polizei auf der A 4 setzt immer häufiger auf Hilfe von oben.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Streifenwagenbesatzung 77/01 hat sich an der Autobahnauffahrt Bautzen-Ost postiert. Frank Voigt hinterm Steuer meldet Einsatzbereitschaft. Der Polizeihauptmeister, 35 Dienstjahre, will sich gerade zurücklehnen, da kommt der erste Einsatzbefehl von oben. „Polnischer 40-Tonner Richtung Görlitz unterwegs, passiert gerade den Parkplatz „Löbauer Wasser“.

Löbauer Wasser? Da muss sich 77/01 aber ranhalten. Frank Voigt gibt Gas. Streifenkollege Uwe Wagner übernimmt das Funkgerät: Rote Plane mit Aufschrift sowieso, wiederholt er, Kennzeichen soundso. Sicherheitsabstand: 15 Meter am Kilometer 62,6. Verstanden. 15 Meter! Das ist lebensmüde. 50 Meter Abstand sind Pflicht für einen Lkw. Uwe Wagner, 29 Dienstjahre, schüttelt den Kopf. Frank Voigt beschleunigt auf 200 km/h. Der Hubschrauber hat den Sattelschlepper verfolgt und weist den Kollegen am Boden den Weg. Da vorne! „Wir haben ihn“, funkt Wagner nach oben.

Der Polizei-Helikopter dreht wieder in Fahrtrichtung Dresden ab. Zweieinhalb Stunden lang wird er jetzt zwischen den Anschlussstellen Nieder Seifersdorf und Ottendorf-Okrilla über die Autobahn fliegen. Mit spezieller Kameratechnik wird die Besatzung den Verkehr beobachten. Vor allem Lkw-Fahrer, die zu dicht auffahren oder die sich Elefantenrennen liefern, sind diesmal das Ziel der Fahnder. Der unschätzbare Vorteil des fliegenden Auges: die Verkehrsgefährder unten auf der Autobahn bekommen gar nicht mit, dass ihnen die Polizei auf den Fersen ist. Deswegen wird der Hubschrauber von der Bautzener Autobahnpolizei ja auch so gerne eingesetzt.

Frank Voigt hat den Streifenwagen vor den polnischen Sattelschlepper gesetzt und das Bitte-folgen-Signal eingeschaltet. Er lotst den 40-Tonner auf einen Parkplatz an der Abfahrt Nieder Seifersdorf. Die Hubschrauberbesatzung meldet da schon die nächste Verkehrsgefährdung: In Höhe Salzenforst fährt ein Sattelschlepper gerade mal 18 Meter hinter dem Vorausfahrenden. Ein Fall für die Kollegen, die sich am Rasthof Oberlausitz postiert haben.

Aus dem Fahrerhaus des 40-Tonners klettert ein junger Mann. Er wirkt nervös. Uwe Wagner spricht ihn auf Polnisch an. Das Vokabular lernt man auf der Autobahn A 4. Nur 15 Meter Sicherheitsabstand habe er gehabt um 10.53 am Kilometer 62,2. Die Kollegen im Hubschrauber haben es gefilmt. Der junge Fahrer guckt bedröppelt. Und als er hört, dass er dafür jetzt 80 Euro Bußgeld plus 25 Euro Bearbeitungsgebühr zahlen muss, schlägt er sich erschrocken die Hände vors Gesicht. Die Hände zittern, als er dem Polizisten drei 20-Euro-Scheine und eine Plastiktüte mit Kleingeld hinhält. „Das alles“, bemüht er sich auf Deutsch. Eigentlich könnte er einem leidtun. Aber wer mit einem 40-Tonner bei 80 km/h auf 15 Meter auffährt, der darf einem nicht leidtun. Fehlender Sicherheitsabstand ist eine Hauptunfallursache auf der Autobahn.

Uwe Wagner nimmt die Scheine. Den Rest wird die Bußgeldstelle schriftlich einfordern. Während der Kollege das Protokoll schreibt, inspiziert Wagner noch den Sattelschlepper. Da ist diesmal nichts zu beanstanden. Auch die Papiere sind in Ordnung. Der junge Pole kann weiterfahren.

Für den Nächsten, den 77/01 von der Autobahn lotst, geht es weniger glimpflich aus. Fast 2.000 Kilometer von Barcelona bis Bautzen ist der 43-jährige Pole schon gefahren, 91 sind es noch bis zum Ziel in Niederschlesien. Aber die Ladung ist nicht richtig gesichert. Die kann hin- und herrutschen. Es braucht noch 13 Gurte, um die Paletten vorschriftsmäßig festzuzurren. Auch wenn das 2.000 Kilometer gutging, jetzt muss der Fahrer sich noch mal kümmern.

Einer darf überhaupt nicht mehr weiterfahren. Den Sattelschlepper aus der Slowakei, den die Hubschrauberstaffel bei Uhyst erwischt hat, ziehen die Streifenbeamten sofort aus dem Verkehr. Total abgefahrene Bremsbeläge, eine gerissene Bremsscheibe, ein defektes Zuggestänge. Und die tonnenweise geladenen Kupferabfälle sind auch nicht ordentlich gesichert. Unglaublich. Frank Voigt ist der Unmut anzusehen. „Solchen Leuten muss man das Handwerk legen“, sagt der 55-Jährige. Er meint vor allem auch die Speditionsfirmen, die ihre Fahrer auf den rollenden Zeitbomben losschicken. Auch die Firma wird jetzt zahlen müssen. Über Funk meldet sich gerade wieder der Hubschrauber. Schon zum siebenten Mal heute.