Trendwende in Glashütte?

Glashütte ist ein Phänomen. In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl gibt es in Deutschland keine zweite Stadt, in der so viele Uhrenfirmen tätig sind. Derzeit sind es neun. Die Stadt lebt von den Uhren und deren Gewerbesteuern. Der Wohlstand ist zu sehen. Straßen, Plätze, Schulen und Kitas sind auf Vordermann gebracht worden. Und dennoch: Auch die Uhrenstadt musste in den letzten Jahren einen Einwohnerrückgang hinnehmen. Die Stadtverwaltung legte in der jüngsten Ratssitzung Zahlen vor. Demnach haben zehn von 16 Ortsteilen heute weniger Einwohner als 1990, sechs konnten zulegen. Fünf Trends lassen sich ablesen.
Trend eins: Glashütte verliert Einwohner
Zwei Drittel aller Orte im heutigen Glashütter Stadtgebiet haben im Vergleich zu 1990 Einwohner verloren. Damals lebten hier 8.055 Menschen, jetzt sind es 6.725. Ähnlich erging es mehreren Nachbarkommunen. "Ein Blick auf die Zahlen der Vergangenheit zeigt meines Erachtens eine typische Entwicklung für eine Gemeinde im ländlichen Raum", sagt Bürgermeister Markus Dreßler (CDU) zur Entwicklung der Gesamtstadt. Während Glashütte rund 18 Prozent der Einwohnerschaft verloren hat, sind es in Altenberg 30 Prozent, in Hermsdorf/Erzgebirge 35 Prozent, in Dipps zwölf und in Liebstadt knapp 20 Prozent.
Trend zwei: Vor allem die Talorte schrumpfen
Die zwei größten Orte im Stadtgebiet sind Glashütte und Schlottwitz. Beide haben zwar weit mehr als tausend Einwohner, doch trotz einer vergleichsweise guten Infrastruktur deutlich verloren, die Kernstadt zwischen 1990 und 2019 mehr als 800 Einwohner, Schlottwitz rund 170. Dafür gibt es mehrere Gründe. So ist es einerseits in der Kernstadt aufgrund der Tallage und der angrenzenden Naturschutzgebiete nicht gelungen, ein Baugebiet für Einfamilienhäuser zu schaffen. Andererseits haben sich die Ansprüche der Menschen verändert. Viele möchten heute in größeren Wohnungen leben, sagt Dreßler. Das erklärt auch, weshalb in der Kernstadt, in der es vergleichsweise viele Mietwohnungen gibt, nur wenig leerstehende Häuser stehen. Auch in Schlottwitz gibt es viele Mietwohnungen. In den letzten Jahren wurden auch hier keine Wohngebiete geschaffen.

Trend drei: Auch die Brunnendörfer haben verloren
Zu den Verlierern im Ortsteilvergleich gehören Dittersdorf und Johnsbach. Das dürfte mehrere Gründe haben. Zum einen liegen beide Orte abseits großer Straßen. Zum anderen wurden auch hier keine Baugebiete ausgewiesen. Hinzukommt, dass beide sogenannte Brunnendörfer sind. Der größte Teil der Einwohner holt sich das Trinkwasser aus Brunnen. Und diese sind in den letzten Jahren häufiger trocken geblieben. Dreßler glaubt jedoch nicht, dass die Trinkwasserversorgung der Grund für den Einwohnerschwund ist. Dennoch: In beiden Orten baut der Trinkwasserversorger Weißeritzgruppe in diesem Jahr ein neues Netz auf.
Trend vier: Gewinner sind die nördlichen und westlichen Ortsteile
Es gibt sechs Ortsteile, die in den letzten 30 Jahren gewachsen sind. Das sind zum einen Nieder- und Oberfrauendorf. Beide profitieren von ihrer Nähe zu Schmiedeberg, Reinholdshain und Dippoldiswalde. In dieser Region gibt es viele Jobs, Einkaufsmärkte, Oberschulen und ein Gymnasium. Hinzugewonnen haben auch die nördlichen Ortsteile Cunnersdorf, Hirschbach, Hausdorf und Hermsdorf am Wilisch. Hier sind nach dem Mauerfall einige Baugebiete entstanden, Lücken wurden bebaut, Höfe saniert und ausgebaut. Das Wachstum dieser Orte dürfte vor allem an der Nähe zu Dresden und Kreischa liegen. In Hausdorf wurde die Ausweisung von Baugebieten forciert, weil man hoffte, als größere Gemeinde die Eigenständigkeit halten zu können, sagte Ortsvorsteher Andreas Dießler kürzlich im Stadtrat. Der Plan sei aber nicht aufgegangen. Auch die guten Verkehrsanbindungen zur B 170 dürften eine Rolle spielen, weshalb diese Dörfer ein Wachstum hatten.
Trend fünf: Minidörfer halten Einwohnerzahlen
Mit Neudörfel und Rückenhain gibt es zwei Minidörfer in Glashütte. Auch sie sind Brunnendörfer, konnten aber über die letzten 30 Jahre die Einwohnerzahl fast konstant halten. In Rückenhain lebten 1990 genau 25 Einwohner, jetzt sind es 21. In Neudörfel fiel die Zahl in diesem Zeitraum von 50 auf 45 Einwohner. Dreßler erklärt sich das zumindest für Neudörfel so: Das Dorf sei bei Familien beliebt, die sehr naturnah wohnen und trotzdem eine gute Anbindung mit Bus, Bahn und Auto an größere Orte haben wollen. Und diese gebe es im benachbarten Schlottwitz.
Ausblick: Glashütte möchte gegensteuern
Der Einwohnerrückgang sei zwar bedauerlich, so Dreßler. Dennoch sei dieser für Glashütte nicht so dramatisch verlaufen wie für andere Kommunen. Es gebe kaum leerstehende Gebäude. Nun konstatiert er Anzeichen einer Trendwende. Die Zahlen sinken nicht mehr so dramatisch, sind fast konstant geblieben. Doch das reicht nicht. "Unserer Stadt und der Region würde es insgesamt sicher guttun, wenn die Einwohnerzahlen sich wieder etwas nach oben bewegen würden", sagt Dreßler. Deshalb habe man in der Flächennutzungsplanung das ehrgeizige Ziel formuliert, wieder auf 7.500 Einwohner zu kommen. Dafür müsse es vor allem Wohnungs- und Baulandangebote geben. Im Moment hofft Glashütte, dass in Hirschbach ein Wohngebiet für rund 30 Eigenheime entstehen kann. Ein potenzieller Investor dafür wurde gefunden. Für Dreßler ist das der richtige Weg: "Diese Angebote sind grundsätzlich vom Markt zu schaffen", so der Rathauschef. Leider stünden Investoren in der Region "nicht Schlange."