Wegen Corona: Eltern kritisieren Heimunterricht

Die Schule ist geschlossen, doch der Unterricht findet weiter statt - nach knapp zwei Wochen Heimunterricht schlagen die Eltern Alarm. „Wir sehen mit großer Sorge, dass eine Vielzahl der Eltern davon berichtet, wie zum Teil völlig unkoordiniert die Schüler mit analogen oder digitalen Aufgabenzetteln überhäuft werden“, schreiben die Vorsitzenden der Kreiselternräte Dresden, Görlitz und Bautzen in einem offenen Brief an die Schulbehörde und das Kultusministerium. Das Pensum für die Schüler sei zu hoch, die Ansprüche der Schulen zu unterschiedlich, viele Lehrer würden nicht auf Rückfragen reagieren, heißt es. Außerdem sei die Lernplattform des Freistaats zeitweise nicht erreichbar.
Seit dem 18. März bereiten die Lehrer täglich Aufgaben für ihr Fach vor, die Schüler bekommen sie etwa über die Homepage der Schule oder die landesweiten Online-Plattformen zum Herunterladen am Tag vorher oder am gleichen Tag. Schulen können den Klassen auch Aufgabenpakete und Lesestoffe auf Vorrat mitgeben. „Bisher habe ich den Eindruck, dass zumindest unsere Kinder mehr arbeiten, als die Unterrichtszeiten vorgeben. Das halte ich auf Dauer für keinen guten und gesunden Zustand", berichtet die Mutter eines Dresdner Gymnasiasten.
Abgabetermine können nicht eingehalten werden
Abends müssen die gelösten Aufgaben eingescannt und an die Lehrer zurückgeschickt werden. Oft sei das nicht machbar. „Nach wie vor ist das Pensum zu hoch“, heißt es von Eltern, deren Kinder an einer Dresdner Oberschule lernen. „Die Lehrer werden permanent angeschrieben, dass die Abgabetermine nicht einzuhalten sind.“ Viele Lehrer würde nicht reagieren und die Schulleitungen die Eltern oft an die Behörden verweisen.
Die Lehrer fehlen, die Eltern arbeiten - der Unterricht muss zu Hause komplett in Eigenregie stattfinden, die Kinder sollen sich den Stoff selbst erarbeiten und Quellen selbst recherchieren. „Das bringt ein Fünftklässler einfach noch nicht. Es gibt täglich Geschrei und Tränen“, schreiben Eltern eines Oberschülers. Die Eltern können die Lehrer nicht ersetzen. „Eltern haben in einigen Bereichen nicht das Fachwissen, aber auch nicht die didaktischen und pädagogischen Voraussetzungen, ihren Kindern zu helfen“, schreibt auch der Vorstand des Landeselternrates Sachsen in einem Brief. Wenn die Eltern arbeiten, haben sie auch nicht die Zeit, ihre Kinder acht Stunden zu beschulen und Aufgaben zu kontrollieren.
Manchen Schülern fehlen außerdem die Voraussetzungen für Unterricht zu Hause. „Es gibt die Eltern, die es sich nicht leisten können, mehrere Laptops, einen Drucker und einen Scanner vorzuhalten, damit alles auf diesem Weg zu den Kindern und gelöst wieder zurück zum Lehrer kommt“, heißt es in dem Brief an das Kultusministerium. Außerdem geben es auch immer noch Orte in Sachsen, die keinen Internetempfang haben.
Einheitliche Regeln für Benotung
Den Schulen und Lehrern sei bewusst, dass die Bedingungen für das Lernen zu Hause sehr unterschiedlich sind, sagt Dirk Reelfs, der Sprecher des Kultusministeriums. Das betreffe nicht nur die technischen Möglichkeiten und die Angebote der Schulen, sondern auch die persönlichen Unterstützungsmöglichkeiten der Eltern. „Deshalb darf es keine überzogenen Forderungen und keinen Leistungsdruck geben“, so Reelfs.
„Wir sind uns bewusst, dass es für viele Familien eine organisatorische aber auch psychologisch vollkommen neue Herausforderung bedeutet, wenn Schulen und Kitas über Wochen geschlossen bleiben“, sagt der Ministeriumssprecher. Es sei sachsenweit sehr unterschiedlich, wie gut es an den einzelnen Schulen gelingt, die Lernzeit zu organisieren. Die Eltern sollten sich bei Fragen und Unterstützungsbedarf direkt an die Schule oder an die jeweiligen Lehrkräfte wenden, so Reelfs.
In der derzeitigen Situation seien weder Vergleichbarkeit noch Chancengleichheit gewährleistet. Der Landeselternrat fordert deswegen verbindliche Regelungen, die für alle Schulen gelten. Dies gelte insbesondere für die Benotung der Aufgaben und für Tests über den selbst erlernten Stoff, heißt es. Die Schulbehörde sollte außerdem in Betracht ziehen, den Lehrplan in bestimmten Fächern und Klassenstufen auszudünnen, damit sich die Kinder auf die wichtigeren Themen konzentrieren können.
Eigenverantwortlichkeit der Schulen
Das Kultusministerium verweist auf die Eigenverantwortlichkeit der Schulen. „Die Lehrerinnen und Lehrer kennen sehr gut die individuelle Situation der Klasse und können am besten darauf eingehen“, sagt Ministeriumssprecher Dirk Reelfs. Die Lernmaterialien seien Angebote und Hilfestellung, um die Zeit der Schulschließungen zu überbrücken. „In keinem Fall sollen sie aber Familien in der aktuellen Situation unter Druck setzen.“ Die Lehrer sollten „mit Augenmaß und pädagogischem Fingerspitzengefühl vorgehen und sich unbedingt im Lehrerkollegium abstimmen“.
Von einer Benotung der Aufgaben an Grund-, Ober- und Förderschulen rät das Kultusministerium ab. An den Gymnasien sei eine Benotung in höheren Klassenstufen zunehmend möglich. „Die Lehrkräfte sollten allerdings die Bewertung in der gegenwärtigen Situation mit Augenmaß, hoher Sensibilität und unter Berücksichtigung der individuellen Lerngegebenheiten vornehmen“, sagt Reelfs.
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