Von Rita Seyfert
Semmeln, Milch und die Kiste Landskron holt Groß Krauscha im „‘s Lädeli“. Das ist switzerdeutsch und heißt Dorfladen. Die Idee für den Namen kam Inhaber Per Wiesner spontan. Die sieben Jahre, die der IT-Berater im Land der Schokolade, Uhren und Bernhardiner arbeitete, prägten seine Mundart. Nun ist er zurück – und mit ihm ein bisschen Schweizer Flair. Zumindest in Groß Krauscha denkt niemand mehr über die ungewöhnlich klingende Bezeichnung nach. „Unsere Kunden haben den Namen mittlerweile übernommen“, sagt er.

Nach der Eröffnung im März vergangenen Jahres freuen sich Wiesners über die positive Entwicklung. „Es ist gut angelaufen“, sagt Ehefrau Yvonne. Für ihre neue Aufgabe als Verkäuferin hat die gelernte Bürokauffrau inzwischen Feuer gefangen. Montags, wenn an der Ladentür das Schild „geschlossen“ hängt, klappert die Ex-Görlitzerin die Großmärkte ab. Regionales Obst und Gemüse schafft sie vom Rothenburger Marktfrisch heran. „Zittauer Feldsalat ist gerade der Renner“, sagt sie. Und die Champions von der Gärtnerei Pietsch aus Bischofswerda werden ebenso gern genommen wie das Sauerkraut nach Lausitzer Art. Äußerst beliebt seien auch die Fruchtsäfte der Kelterei Neubert. Ob Birne, Tomate oder Quitte, den Fruchtnektar ohne Zusatz von Farb- und Konservierungsstoffen holt Yvonne Wiesner direkt beim Hersteller. „Erst vergangenen Montag habe ich auf Kundenwunsch eine große Flasche Aronia-Saft mitgebracht“, erzählt sie. Die älteren Semester würden eher zur kleinen 0,2-Liter-Flasche greifen. Für alle anderen Lebensmittel wie Käse, Tee oder Kaffee fährt die junge Frau zum Edeka-Großhandel nach Weinhübel.
Nur die Getränke-Kisten lassen Wiesners liefern. Bier, Limonaden und Wasser bringt der Getränkevertrieb Neißeland einmal pro Woche. Das „‘s Lädeli“ konnte zum Jahresanfang sogar die Preise deutlich reduzieren. Die Kiste Tuborg sogar mehr als einen Euro. Zwar immer noch etwas teurer als im Discounter, doch statt ein paar Cent sparen Kunden lieber die Kilometer bis in die Stadt – und kaufen ihr Bock und Pupen Schultzes vor der Haustür. Für die Jüngsten hat Per Wiesner, selbst Vater von zwei kleinen Kindern, die Menschel-Limonaden entdeckt. Von der Oberlausitzer Himbeer- und Waldmeister-Brause aus Hainewalde sind vor allem die „gesundheitsbewussten“ Eltern überzeugt, die beim Einkaufen die Inhaltsstoffe auf dem Etikett studieren. Doch auch das Flaschen-Design finde Anklang. „Das erinnert viele noch an die Club-Cola aus dem Osten“, sagt er.
Sogar einige Stammkunden gebe es inzwischen. Mit steigender Tendenz. Zum harten Kern gehören etwa acht ältere Damen und zwei Herren, die nahezu täglich durch die zwei Regalreihen laufen. „Die Oma kauft hier alles“, sagt Yvonne Wiesner. Butter, Quark, Bockwurst. Auch Katzenfutter gehe gut. Andere greifen zwar nur gelegentlich, aber doch gezielt nach dem neongrünen Einkaufskorb. Zum Beispiel wegen des frischen Obstes und Gemüses. Wer nach der Arbeit in der Stadt noch in der Verkaufsstelle vorbeikommt, der hat beim Großeinkauf den Zucker vergessen oder möchte noch einen Kaffee trinken. Auch Laufkundschaft gehöre zum Klientel: Laubenpieper und Radler auf dem Weg zum Kinderspielpark oder Waldsee decken sich im „’s Lädeli“ mit Getränken ein. Und dann gibt es noch die Singles, meist alleinstehende Herren, die sich etwas zum Mittag kochen möchten. „Schnell muss es gehen, Fräulein“, sagen die. Ihnen empfiehlt Yvonne Wiesner eine ihrer Fertigsuppen.
Und spätestens wenn der mobile Verkaufswagen der Viereichener Fleischerei aus Neuliebel bei Rietschen freitags um 9.50 Uhr auf den Parkplatz rollt, pulsiert auch im Laden das Leben. „Für viele ist das hier ein Treffpunkt“, erzählt Yvonne Wiesner. Damit Besucher zwischen dem Einkauf gemütlich einen Cappuccino schlürfen können, haben Wiesners sogar eine kleine Café-Ecke eingerichtet. Kaffeebohnen und dampfende Tassen zieren die Wände, die orangefarbene Sitzecke samt Bistro-Tisch stammt aus der Pinguin-Eisbar in Görlitz, die kurz vor der Eröffnung vom „‘s Lädeli“ geschlossen hatte. Auch Tresen und der Kaffeevollautomat des Lokals haben in Groß Krauscha eine neue Heimat bekommen. Zum Café Crema können sich Gäste Kuchen bestellen. Mit Obst, Quark, Kokosraspeln. Hin und wieder liegen auch Eierschecken unter der gläsernen Käseglocke. Das Backwerk bezieht Yvonne Wiesner zusammen mit den Milchhörnchen, Rosinenbrötchen und Sauerteigbrot von der Landbäckerei Gisa in Zodel. Bestellungen für frische Backwaren nimmt Yvonne Wiesner immer dienstags, donnerstags, freitags und sonnabends entgegen.
Neu seit Februar: Auf Kundenwunsch ordert das Lädeli Fisch von der Teichwirtschaft Rießner. Und natürlich durfte in Groß Krauschas „‘s Lädeli“ auch eine kleine Postfiliale nicht fehlen. Als Ergänzung zur DHL-Stelle im etwa fünf Kilometer entfernten Zodeler Emma-Laden „Zimmi‘s“ habe man sich alternativ für Postmodern entschieden. Die Konkurrenz der deutschen Post, erkennbar an den roten Briefkästen, sei etwas günstiger.
„Verkaufsschwache Tage kommen vor“, sagen Wiesners. Unterm Strich sei man aber optimistisch. Ihre Skatabende und Seniorenfeiern im benachbarten Kretscham federn den Umsatz ab. Ein weiterer Vorteil: Wenn ein Kneipengast eine spezielle Whisky-Sorte wünscht, hat Barmann Per Wiesner die Auswahl im Laden nebenan. Schon bald, an lauen Sommerabenden, könnte es auch draußen Sitzgelegenheiten geben. „Wo die Leute ihre Eisschokolade oder ein Feierabendbierchen trinken.“ Sonnenschirme von der Pinguin-Eisbar gibt es schon. Doch man dürfe sich nicht fühlen wie auf dem Präsentierteller. „Wir sind noch in der Findungsphase.“