Von Holger Gutte
Bei Diana Holdorf und ihrem Freund Sebastian Moll dreht sich jetzt alles um die kleine Gerda. Lange haben die beiden auf die Kleine warten müssen. Als Gerda am 18. September zur Welt kommt, ist sie zehn Tage überfällig. „Ich habe alles gemacht, was mir geraten wurde – Treppensteigen, laufen und wehenfördernden Tee trinken“, erzählt sie. Aber Gerda wollte einfach noch nicht kommen. Als der Geburtstermin neun Tage überfällig ist, geht Diana Holdorf in Absprache mit ihrer Frauenärztin in die Klinik. „Ich wollte eigentlich mein Kind auf normale Weise zur Welt bringen, aber auf Anraten der Ärzte ist Gerda per Kaiserschnitt geholt worden.“ Ihr Freund Sebastian Moll war dabei.
Im Zittauer Klinikum werden im Jahr etwa 300 Kinder geboren. Früher waren es weit mehr. Die Frauen haben Kinder, überspitzt gesagt, nebenbei zur Welt gebracht. Heute ist es oft eine Wissenschaft. Gleichzeitig gibt es weniger junge Frauen. Und viele davon haben Existenzängste oder erst mal die Karriere im Blick. Dabei ist ein Baby, heute wie damals, etwas ganz Besonderes. „Man kann das nicht beschreiben. Ich bin überglücklich gewesen, als ich unsere Kleine endlich in den Armen halten konnte. Erst dann realisiert man es“, sagt Diana Holdorf.
Gerda ist das erste Kind der 31-jährigen Zittauerin. Ihr ganzer Tagesablauf richtet sich nun nach dem Kind. „Das ist manchmal stressig. Aber man empfindet das nicht als solchen“, schildert sie. Ihr Freund Sebastian Moll baut gerade das Haus für die junge Familie aus. Rückbildungsgymnastik will seine Freundin auf jeden Fall machen, damit der Restbabybauch verschwindet. Auf der Babystation im Zittauer Krankenhaus hat sie Anleitung dafür bekommen. Sie lobt die gute Betreuung dort. „Die Schwestern haben mich wirklich gut beraten und mir auch Tipps von Mutter zu Mutter gegeben“, erzählt sie.
Verzicht auf eine Hebamme
Ansonsten nimmt Diana Holdorf, so wie vor der Geburt, auch nachher keine Betreuung von einer Hebamme in Anspruch. Bis zur Schwangerschaft hat sie aktiv Handball gespielt. „Ich fühlte mich kerngesund und hatte keine Rückenschmerzen. Ich hatte eine schöne Schwangerschaft“, erzählt sie. Die 31-Jährige gesteht, keine Notwendigkeit für eine Hebamme gesehen zu haben. Aus der Verwandtschaft und von Freunden habe sie viele Ratschläge erhalten und sich im Internet belesen. Aber mit dem Verzicht auf eine Hebamme ist sie – zudem als Erstgebärende – eine Ausnahme.
Die Frauen, die heutzutage zur Entbindung in die Klinik kommen, bereiten sich sehr unterschiedlich darauf vor, weiß Zittaus Chefarzt Mathias Mengel. „Ich wünsche mir manchmal, dass einige sich nicht so viel darauf vorbereiten“, sagt der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Die Vielzahl von Informationen, die in Internet-Foren und im Fernsehen auf sie einfließen, führt häufig dazu, dass sich die Frauen am Ende unsicherer fühlen.
Die Entwicklung ist bei der Geburtshilfe nicht stehen geblieben. In Zittau wird seit vielen Jahren die Möglichkeit einer Wassergeburt angeboten. Allerdings wird sie kaum genutzt, schildert der Chefarzt. Die meisten Frauen, die sich im Vorfeld dazu entschließen, überlegen es sich kurzfristig anders. Seit etwa eineinhalb Jahren gibt es hier auch die Lachgas-Narkose. Die ist in der Geburtshilfe praktisch, meint er. Die Frau erhalte dabei auch das Gefühl, in den Geburtsverlauf eingreifen zu können. Nicht alle Entwicklungen findet der Facharzt gut. Lag vor 20 Jahren die Kaiserschnittquote bei zehn Prozent, so werden heute 30 Prozent der Kinder auf diese Art zur Welt gebracht. Viele davon sind aus medizinischer Sicht nicht notwendig, aber von den Müttern gewollt. Das zieht einen Lawineneffekt nach sich. Oft müssen später die Geschwister auch so geholt werden.
Die frühere Oberärztin der Frühgeborenen-Station im Zittauer Klinikum, Barbara Pollack, erinnert sich gut an die DDR-Zeiten, als hier etwa 1 500 Babys im Jahr geboren wurden. Bis Ende der 1980er Jahre sind mehrere Kinder gleichzeitig zur Welt gekommen. „Wir hatten zwar für jede Geburt ein Zimmer, aber oftmals hat davor schon die nächste Schwangere auf ihre Geburt gewartet“, erzählt sie. Da sie erst 2009 in Ruhestand ging, kann sie beide Gesundheitssysteme in punkto Schwangerschaft gut vergleichen.
Säuglingssterblichkeit weit unter 10 Prozent
1970 hatte sie bei Zittaus Kinderarzt Dr. Gerhard Gruner angefangen. Der einstige Chefarzt der Kinderklinik ging revolutionäre Wege und führte neue therapeutische Verfahren ein. Er machte sich um die Entwicklung von Geräten zur Behandlung von Neu- und Frühgeborenen ebenso verdient wie um die Senkung der Säuglingssterblichkeit. „Unser großes Ziel war es damals, die Säuglingssterblichkeit bei zehn Prozent von 1 000 Babys zu halten“, schildert sie. Heute liegt man weit darunter.
Die technischen Möglichkeiten, die es jetzt gibt, kann man mit denen von damals nicht vergleichen. In der DDR sind die Frauen nach dem ersten Arztbesuch zur Mütterberatung gegangen und dort betreut worden. Nach der Wende sind die Einflüsse der Hebammen auf die Frauen vor und nach der Entbindung größer geworden. Sie haben die Rolle der Fürsorgerin und damit mehr Verantwortung übernommen.
Und die Fürsorge und Tipps von Hebammen sind gefragt. Das bestätigt Hebamme Manuela Otto, die mit zwei Kolleginnen eine Praxis in Zittau betreibt. Hebammenhilfe steht den Frauen in der Schwangerschaft zu, meint die 40-jährige Oderwitzerin. Ihre Praxis arbeitet beispielsweise mit naturheilkundlichen Methoden und Homöopathie. Peu á peu sind die Angebote erweitert worden. „Die Nachfrage danach nimmt zu“, berichtet sie. Sie beraten die Frauen in Geburtsvorbereitung, zum Thema Wochenbett, bieten die Teilnahme an einer Stillgruppe und Babymassage oder Rückbildungsgymnastik an.
Die Arbeit der Hebammen beinhaltet noch viel mehr. „Wir sind auch in der Lage, die Herztöne des Kindes abzuhören“, sagt die Eckartsberger Hebamme Ute Großmann, die ebenfalls eine Praxis in Zittau betreibt. Auch die 55-Jährige empfiehlt, bei einer Schwangerschaft die Erfahrung und Dienste einer Hebamme zu nutzen.
Mittlerweile ist im Zittauer Klinikum die Geburtenzahl auf etwa 300 Kinder im Jahr gesunken. Diana Holdorf und ihr Freund Sebastian Moll wollen auf alle Fälle noch ein Geschwisterchen für Gerda.