Endlich ein Termin

Von Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag
Pendler, Wanderer, Einkaufstouristen, Liebende - sie alle von diesseits und jenseits der Grenze zu Tschechien können aufatmen und wieder planen. Ein knapper Monat noch, dann sind die Schließung der Demarkationslinie zwischen beiden Ländern und die damit einhergehenden Beschwernisse hoffentlich wieder Geschichte. Und hoffentlich war es das erste und letzte Mal, dass das den meisten von uns lieb gewordene Schengenregime und damit unsere EU-weit verbriefte Bewegungsfreiheit brachial außer Kraft gesetzt wurden.
Sinnvoll war die vor zwei Monaten von Prag einseitig beschlossene Schließung der Schlagbäume nicht. Das Virus ist allen Statistiken zufolge nicht von Deutschland nach Tschechen eingeschleppt worden, wie bis heute Prager Regierungskreise wider besseres Wissen behaupten. Schon gar nicht von den Pendlern. Es kam mit den zurückkehrenden tschechischen Skiurlaubern aus Österreich, Frankreich und Italien ins Land jenseits des Erzgebirges.
Traurig, dass ein Drittel der Tschechen und sicher auch so mancher Deutsche kein Problem mit der geschlossenen Grenze hatte. Das zeugt davon, dass 75 Jahre nach Kriegsende zwischen unseren beiden Nachbarvölkern noch immer etwas nicht in Ordnung ist. Es sind die ungezählten alltäglichen Begegnungen zwischen Deutschen und Tschechen über die nur pro forma existierende Grenze hinweg, die alte und neue Vorurteile am besten abbauen helfen. Sie sind der Impfstoff gegen das Virus des Nationalismus. Diesen Impfstoff - anders als den gegen Corona - haben wir bereits. Wir dürfen ihn uns nie wieder nehmen lassen.