Endlich wieder gemeinsam in der Natur

Wittichenau. Es herrscht eine umtriebige Stimmung auf dem Lagerplatz in Saalau. Die Kinder, die sich hier an diesem Nachmittag tummeln und verschiedenen Aufgaben nachgehen, sind froh, das großzügige Gelände wieder einnehmen zu dürfen. Denn erst seit einigen Tagen können sich die Pfadfinder wieder zu Gruppenaktivitäten treffen. Die Kinder- und Jugendarbeit war auch hier für Wochen unterbrochen.
Als der Brite Robert Baden-Powell im Jahr 1907 das erste Lager stattfinden ließ und somit die Pfadfinder begründete, war nicht abzusehen, dass damit die größte Jugendbewegung der Welt entstehen würde. Mehrere Millionen Mitglieder gibt es mittlerweile weltweit. Und allein in Deutschland sind es über 200.000.
Zurück nach Wittichenau: Dort besteht seit 1998 der Pfadfinderstamm „Huskies“. In drei Altersstufen sind die etwa 50 Pfadfinder organisiert. Es gibt die Wölflinge (sechs bis elf Jahre), die Pfadfinder (ab elf Jahren) und die Rover (ab 16 Jahren). Wer darüber hinaus noch aktiv ist, geht mit 21 Jahren in die Mannschaft über. Seit 2002 hat der Stamm sich das Gelände in Saalau, das damals weitaus weniger Charme hatte als heute, für seine Zwecke hergerichtet. Eine Aufwertung der brachliegenden Fläche ist seitdem über viele Jahre passiert.
Stammesführer Martin Kliemank zeigt sich sehr dankbar gegenüber allen Eltern, Helfern und Unterstützern, die mit ihrem Engagement in den vergangenen Jahren so viel ermöglicht haben. Zuletzt konnte auf dem Gelände ein Spielplatz fertiggestellt werden. Auf der Rückseite seines Hügels befindet sich eine Art Arena mit zahlreichen Sitzplätzen, wo der Stamm zusammenkommen kann. Es erinnert an ein Amphitheater. Und auch sonst gibt es vieles: Eine überdachte Kochstelle samt gemauertem Ofen. Eine Finnhütte, die vor vielen Jahren – in drei Einzelteilen – vom Knappensee nach Saalau umgesetzt wurde und heute als Gruppenraum dient. Ein weiteres Gebäude beherbergt Sanitärräume sowie einen Raum mit Spüle und Sitzgelegenheiten. Nicht zu vergessen ist der große Bauwagen, der eine ganze Werkstattausrüstung bereithält und nach Bedarf auch in einem kleinen Umkreis mobil eingesetzt werden kann.
In der zweiten Gruppenstunde, die seit den Lockerungen wieder möglich ist, werden gemeinsam Burger gebraten und Waffeln gebacken. Denn jedem der acht Kinder in dieser Sippe, unter den Gruppenführern Klara und Maxi, wurde eine ganz bestimmte Funktion übertragen. An diesem Nachmittag geht es um die Rolle des Kochs. In der Woche zuvor gab es einen ausgelassenen Nachmittag in Bezug auf den Spielemeister. Daneben gibt es noch den Feuerwart, den Sanitäter, den Zeremonienmeister und den Chronisten. Hannah, die letztere Aufgabe ausführt, wird im Anschluss zu Hause die Gruppenstunde schriftlich zusammenfassen, wie sie erzählt. Laut eigener Aussage wendet sie dafür weniger als eine halbe Stunde auf und kann bis zu einer Seite mit den Eindrücken füllen. Für sie ist die Sippe mittlerweile zu einer Familie zusammengewachsen. Außerdem bedeutet für Hannah die Zeit, die sie mit den Pfadfindern verbringt, sogar einen „Energiekick“, schwärmt sie. Seit 2017, als sie acht Jahre alt war, ist sie dabei und schätzt all die neuen Erfahrungen, die sie hier machen kann, wie zum Beispiel ein Zelt aufzubauen. Julius und Laurenz, die gemeinsam an den Bratpfannen stehen, mögen neben den Spielen, Zeltlagern, dem Am-Feuer-Sitzen und der Gemeinschaft, dass sie viel Zeit in der Natur verbringen können. Für Anna hat sich gezeigt, dass es hier völlig egal sei, ob man Mädchen oder Junge ist. „Und hier lerne ich Dinge, die in der Schule nicht vorkommen“, ergänzt sie.
Klara führt gemeinsam mit Maxi die Sippe, die seit einem halben Jahr besteht, nachdem die Kinder den Wölflingen „entwachsen“ waren. Eine kleine Ausbildung zum Gruppenführer im Vorfeld gehört dazu. Gemeinsam bereiten sie die Gruppenstunden vor und führen sie selbstständig aus. Klara ist Pfadfinder geworden, weil sie durch die Erzählungen der Geschwister angesteckt wurde. Mittlerweile sieht die 14-Jährige, dass sie durch die Erlebnisse und vor allem die Reisen mit ihrem Stamm immer selbstständiger, unabhängiger und auch umweltbewusster geworden ist. Auf ihrem dunkelblauen Hemd sind schon einige Abzeichen mehr zu sehen, als bei den Jüngeren, die sich auch ihr typisches Halstuch erst noch „verdienen“ müssen.
Jedes Abzeichen hat seine Bedeutung und erzählt vom Erfahrungsschatz des Trägers. Im sogenannten Probenbuch werden alle Fertigkeiten festgehalten. Gleich auf der ersten Seite ist die Kenntnis der Pfadfindergesetze abgezeichnet, die auf Nachfrage alle gemeinsam zügig aufzählen können. In den zehn Sätzen werden vor allem auch Werte vermittelt, denn das Pfadfindersein ist mehr als ein Hobby – vielmehr eine Lebenseinstellung. „Man bleibt für immer Pfadfinder“, bestätigt Martin Kliemank.