SZ +
Merken

Endlose Suche nach dem Endlager

Das Verschwinden der alten Feindbilder bei CDU und Grünen macht die Suche nach einer Lagerstätte für Atommüll nicht unbedingt einfacher.

Teilen
Folgen

Von Sven Siebert, Berlin

Nein, sagt der Bürgermeister von Philippsburg, Stefan Martus, für zusätzlichen Atommüll gebe es im Zwischenlager am örtlichen Atomkraftwerk keinen Platz. Sollte anderes entschieden werden, „ist ziviler Ungehorsam angesagt“. Die Philippsburger würden dann demonstrieren – „mit mir an der Spitze“, fügt Martus hinzu.

...ist die Asse nicht für schwer radioaktive Abfälle geeignet. Das wusste schon Altmaiers Vorgänger Norbert Röttgen (CDU) bei der Besichtigung im Dezember 2010.
...ist die Asse nicht für schwer radioaktive Abfälle geeignet. Das wusste schon Altmaiers Vorgänger Norbert Röttgen (CDU) bei der Besichtigung im Dezember 2010.
Auch dessen Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) konnte bei der Endlagersuche im September 2009 kein Licht ins Dunkel bringen.   Fotos: dpa (2), AP
Auch dessen Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) konnte bei der Endlagersuche im September 2009 kein Licht ins Dunkel bringen. Fotos: dpa (2), AP

Nein, sagt die hessische Umweltministerin Lucia Püttrich, Castor-Transporte ins Zwischenlager Biblis werde es nicht geben. Und der Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, Christean Wagner, erklärt, in der Frage, wo deutscher Atommüll zwischengelagert werden könne, gehe es „nicht um Verteilgerechtigkeit, sondern um Sicherheit“. Deswegen komme ein Transport nach Biblis nicht infrage.

Die zitierten Politiker sind allesamt Mitglieder der CDU. Sie reden wie die roten und grünen Atomkraftgegner der vergangenen Jahrzehnte, aber sie gehören der Partei an, die bis zur Atomkatastrophe von Fukushima unbeirrbar an der Kernenergie festhielt und deren Risiken als beherrschbar betrachtete.

Unerwartete Verschiebungen

Wer die (west-)deutsche Debatte über die Kernkraft in den vergangenen Jahrzehnten miterlebt hat, reibt sich in diesen Tagen verwundert die Augen. Auf der Suche nach einem Weg, endlich, endlich ein Endlager für den strahlenden Müll aus den deutschen Atomkraftwerken zu finden, ist es zu unerwarteten Verschiebungen der traditionellen Positionen gekommen.

Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein schleswig-holsteinischer Parteifreund, Umweltminister Robert Habeck, waren in Vorleistung gegangen, um in der Endlagersuche endlich einen parteiübergreifenden Konsens zu finden. Kretschmann erklärte die Bereitschaft, auch in Baden-Württemberg dürfe nach geeigneten Endlagerstätten gesucht werden. Kretschmann und Habeck boten an, bereits vorhandenen Atommüll in Zwischenlagern in ihren Ländern aufzunehmen. Brunsbüttel an der Elbe und Philippsburg am Rhein kommen dafür infrage.

Früher waren es Grüne und ihre Anhänger, die erbittert jeden Castortransport durch Deutschland zu verhindern suchten, während Unionspolitiker Atomkraftgegner bestenfalls als Panikmacher, schlimmstenfalls als Staatsfeinde betrachteten. Die Auseinandersetzung um die Atomkraft war in den 70er- und 80er-Jahren eines der politischen Themen, anhand derer die gesellschaftliche Spaltung besonders deutlich wurde. Und tatsächlich ging es dabei um mehr als unterschiedliche Ergebnisse von Risikoabwägungen.

Die Grünen, die mit einem alternativen Gesellschaftsmodell antraten, hatten ihre stärksten Wurzeln in der Anti-AKW-Bewegung. Und für die Konservativen war das Bekenntnis zur Atomkraft eine gemeinschaftsstiftende Position im Kampf gegen linke Umstürzler. So ist auch zu erklären, weshalb der Ausstiegsbeschluss nach Fukushima die Union im Kern erschütterte.

Doch Angela Merkel wie auch ihr heutiger Umweltminister Peter Altmaier (beide CDU) hatten auch begriffen, dass außerhalb ihrer Partei die Atomkraftgegner längst in der Mehrheit waren. Merkel änderte nach Fukushima ihr Verhältnis zur Atomtechnologie – zugleich räumte sie ein Thema ab, bei dem für die Union schon länger nicht mehr viel zu gewinnen war.

Keine Zwischenlagerung in Gorleben

Altmaier hat in dieser Woche gemeinsam mit roten und grünen Bundes- und Landespolitikern den Weg für eine offene Endlagersuche geebnet. Dazu war es nötig, das lange umkämpfte Gorleben einerseits als möglichen Standort zu erhalten, zugleich aber die bisher üblichen Transporte ins dortige Zwischenlager zu stoppen. 26 Castoren, die in den Aufarbeitungsanlagen in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) auf ihren Transport nach Deutschland warten, müssen nun anderswo untergebracht werden.

Merkel ließ nun erklären „wir sind jetzt auf einem guten Weg, um einen jahrzehntelangen Konflikt zu befrieden“. Und Altmaier äußert die Überzeugung, mit der Einigung vom Dienstag dieser Woche seien „die alten Feindbilder endgültig zusammengebrochen“.

Allerdings hat er es nun mit neuen Gefechtslinien zu tun. Die Debatte über geeignete oder ungeeignete Zwischenlager gibt einen Vorgeschmack darauf, was auf der Suche nach einem endgültigen Lagerstandort noch zu erwarten ist. Für den Prozess sind mindestens zwei weitere Jahrzehnte angesetzt. Und wer weiß, vielleicht ketten sich demnächst ja Unionspolitiker an Gleise und liefern sich Rangeleien mit der Polizei, die die Erkundung von möglichen Lagerstandorten schützen muss.