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Entscheidung gegen das Baby

Der Bedarf an Schwangerschaftskonfliktberatungen steigt im Frühjahr an. Die Frauen haben ein Hauptproblem.

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Von Ulrike Keller

Es ist nach wie vor ein heikles Thema: Wie viele Frauen im Landkreis vergangenes Jahr eine Abtreibung vornehmen ließen, wollen weder das Elblandklinikum noch die Kassenärztliche Vereinigung sagen. Werdende Mütter, die ihr Kind nicht austragen wollen, müssen vor dem Abbruch eine Schwangerschaftskonfliktberatung besuchen. Das Gespräch soll ergebnisoffen sein. Nach Angaben der Beratungsstellen kommt die Mehrheit der Schwangeren aber schon mit fester Meinung. Und so ist die Situation wirklich in den Städten.

Radebeul: Deutlich weniger Schwangere kamen 2012 in die Konfliktberatung

Kathrin Roßner von der Schwangerschaftsberatungsstelle der Diakonie in Radebeul hat keine Erklärung dafür: Voriges Jahr fanden mit 70 Gesprächen rund ein Viertel weniger Schwangerschaftskonfliktberatungen statt als 2011. Die meisten Frauen waren zwischen 18 und 40 Jahre alt. Mit sieben Fällen lag der Anteil von Über-40-Jährigen über dem von Minderjährigen (drei). Ein Drittel der Frauen kam wegen der ersten Schwangerschaft, 25 Prozent hatten bereits ein Kind.

„Ganz oft lässt die Frauen eine nicht-intakte Familiensituation zweifeln“, so Roßner, die die Beratungsstelle leitet. Das nächste große Thema sei die Befürchtung, die auf Arbeit erreichte Position aufs Spiel zu setzen. An dritter Stelle käme das Gefühl, schon durch den Job an der Belastungsgrenze zu sein. Eine Hoch-Zeit an Terminanfragen erlebt Roßner stets zu Anfang des Jahres. Bei „gefühlt etwa acht bis zehn Prozent“ bekommt sie später mit, dass die Frauen das Kind behalten haben.

Meißen: Immer mehr Schwangere haben keinen familiären Rückhalt

Die Schwangerschaftsberatungsstelle des Landratsamtes in Meißen zählte im zurückliegenden Jahr 109 Schwangerschaftskonfliktberatungen. Das waren sieben weniger als im Vorjahr. Wie die Meißner Beraterin Angela Janotta schon länger beobachtet, schnellen die Gesprächsanfragen regelmäßig nach Weihnachten und der Urlaubszeit in die Höhe. Das durchschnittliche Alter der Frauen lag 2012 bei 32 Jahren. Generell bilden aber auch Über-40-Jährige nicht die Ausnahme. Die meisten Schwangeren haben schon mindestens ein Kind. „Der Beruf ist nicht der überwiegende Grund für den Konflikt“, sagt Angela Janotta. Bei dieser Entscheidung merke man, dass die Familie in der Wichtigkeit noch an erster Stelle stehe. „Es nimmt zu, dass die Frauen niemanden zur Hilfe haben, entweder, weil alle verstreut wohnen oder die Familien zerrüttet sind.“ In sieben bis acht Prozent der Fälle stellt Janotta durch Folgeberatungen fest, dass Frauen sich für das Baby entschieden haben. Etwa drei bis vier Prozent der Klientinnen kommen mehrfach, weil sie wiederholt einen Abbruch planen.

Großenhain: Frauen machen die Entscheidung verstärkt jobabhängig

Der Großteil der Frauen in der DRK-Schwangerschaftsberatungsstelle Großenhain ist zwischen 25 und 35 Jahre alt. Laut Leiterin Heidrun Hoppe hat der geringe Anteil Minderjähriger nicht zugenommen. Die Frauen stammen sowohl aus Großenhain als auch aus anderen Bundesländern. Obwohl die meisten ihre Partner über das Baby informiert haben, kommen sie überwiegend allein zum Gespräch. Viele sind bereits Mutter. „Bei der Entscheidung, das Kind zu bekommen oder nicht, geht es seit zwei bis drei Jahren vor allem um die Arbeit“, sagt Heidrun Hoppe. Die Zahl der Gespräche ist seit Jahren konstant. Dass sich die Nachfrage zu bestimmten Zeiten zuverlässig ballt, kann Hoppe nicht feststellen. Auch dass Frauen die Beratung wiederholt wahrnehmen, weil sie sich mehrfach gegen Kinder entscheiden, sei „ganz selten“.

Riesa: Minderjährige und Über-40-Jährige sind die Ausnahme

In der DRK-Beratungsstelle Riesa verzeichnet Leiterin Ellen Möbius seit fünf Jahren gleichbleibend viele Schwangerschaftskonfliktberatungen. Den Schwerpunkt bilden Frauen im Alter von 18 bis 39. Kaum vertreten: Minderjährige und Über-40-Jährige. Der Anteil derer, die das Gespräch wegen der ersten Schwangerschaft suchen, ist Möbius zufolge unwesentlich geringer als der Anteil derer, die das zweite Kind erwarten. Was die Frauen sorgt, ist grundsätzlich eine Verquickung mehrerer Themen wie familiärer Rückhalt, Finanzen oder Arbeit, sagt Möbius. Kaum angesprochen werde die Wohnungsproblematik. Nicht die Ausnahme seien Frauen, die mindestens einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben. Möbius registriert einen steigenden Beratungsbedarf nach Weihnachten und den Ferien.

Eine an diese Anlässe gebundene Konzentration von Anfragen kann Ilona Berner von der in Riesa ansässigen Schwangerschaftsberatungsstelle der Diakonie Riesa-Großenhain nicht feststellen. Auch Klientinnen, die bereits zum wiederholten Mal einen Abbruch planen, erlebt sie „eher selten“. Was das Alter und die Problemlage der Schwangeren betrifft, bestätigt Berner die Angaben der DRK-Kollegin.

Beratungsstellen unter www.familie.sachsen.de