Entscheidung zu Windrädern vertagt

Es ist wieder mal eine Galgenfrist mehr, an die sich die Gegner von Windkraftanlagen klammern. Proteste gab es im Landkreis beispielsweise in Dittersdorf im Osterzgebirge oder in Rückersdorf bei Neustadt. Dort wurden im beschlossenen Regionalplan sogenannte Vorranggebiete für die Windenergienutzung ausgewiesen. An diesen Stellen könnten Investoren den Bau zusätzlicher oder höherer Windräder beantragen.
Die Dittersdorfer Bürgerinitiative gegen weitere Windräder fordert seit Langem, das Gebiet bei ihrem Dorf aus dem Plan zu nehmen. "Die ausstehende Entscheidung des Freistaates ist jetzt unsere letzte Chance", sagt Bernd Grahl von der Bürgerinitiative. Doch auf diese müssen er und seine Mitstreiter weiter warten.
Warum braucht der Freistaat so viel Zeit?
Im Juni 2019 hatte der regionale Planungsverband Oberes Elbtal/Osterzgebirge den fortgeschriebenen Regionalplan beschlossen. Neben dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gehören dazu auch die Landeshauptstadt Dresden und der Kreis Meißen. Doch die Genehmigung des Plans durch das Sächsische Innenministerium lässt auf sich warten. Laut Landesplanungsgesetz hat das Ministerium sechs Monate Zeit, um über den eingereichten Regionalplan zu entscheiden.
Die Frist ist längst abgelaufen. Aus wichtigen Gründen kann diese jedoch einmalig um weitere sechs Monate verlängert werden. "Von dieser Klausel hat das Innenministerium Gebrauch gemacht", teilte das Landratsamt mit. Doch was sind die wichtigen Gründe? Es wurde doch jahrelang diskutiert und jedes einzelne Argument von Befürwortern und Kritikern abgewogen.
Als Begründung für die Fristverlängerung wurden Ende vergangenen Jahres die Koalitionsverhandlungen sowie die bevorstehende Regierungsbildung in Sachsen angegeben. Diese hat nun auch dafür gesorgt, dass nicht mehr das Innenministerium zuständig ist, sondern das neu gegründete Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR).
Warum macht die Koalition alles schwieriger?
Doch die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag sind alles andere als eindeutig. So wurde im Koalitionsvertrag zwar festgehalten, dass neue Windenergieanlagen mindestens einen Abstand von 1.000 Metern zur nächsten Wohnbebauung haben sollen - also entsprechend den bundesrechtlichen Regeln. Diese waren zwar angekündigt, liegen aber immer noch nicht vor. Dass es sie bis Ende der Fristverlängerung gibt, gilt wegen der Corona-bedingten Verzögerungen als unwahrscheinlich. Außerdem ist auch der Begriff Wohnbebauung nicht konkreter bestimmt worden, was auf einen weiteren Rechtsstreit hinauslaufen könnte.
"Andererseits wurde im Koalitionsvertrag auch die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Strommix in Aussicht gestellt", erklärte Landrat Michael Geisler (CDU) jüngst in seinem Informationsbericht zur Kreistagssitzung. Das wäre mit den derzeit gültigen Vorgaben quasi ausgeschlossen.
Weil der Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und Grünen in Sachsen aber nur eine Absichtserklärung ist, orientiert sich der Landkreis weiter an einer Aussage der obersten Raumordnungsbehörde. In der hieß es im Dezember 2019, dass auch für die Genehmigung ausschließlich die Rechtslage zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses maßgebend ist. "An dieser Aussage wird sich der Genehmigungsbescheid messen lassen müssen", so Geisler.
Der Zeitgewinn mittels Fristverlängerung hat in diesen Punkten also nichts gebracht. Und für das Ministerium wird die Zeit langsam knapp. Bis 24. Juni muss eine Entscheidung getroffen werden. Eine weitere Fristverlängerung ist per Gesetz ausgeschlossen. Daran ändern auch die Maßnahmen wegen der Corona-Epidemie nichts. Sollte das Regionalentwicklungsministerium die letzte Frist für eine Entscheidung verstreichen lassen, wäre der Plan faktisch genehmigt.
Welche Folgen haben die jeweiligen Entscheidungen?
Würde die Genehmigung für den kompletten Plan versagt werden, hätte formal der Regionalplan von 2009 weiterhin Bestand. Da bekam der Teilplan Windkraft aber keine Genehmigung, sodass für den Bereich sogar der Plan von 2003 weiter Bestand hätte. Das würde den Kritikern neuer Windkraftanlagen entgegenkommen, weil es damit so gut wie keine Entwicklungsmöglichkeiten gibt.
Die Geschäftsführerin des Regionalen Planungsverbands, Heidemarie Russig, warnt jedoch, dass das rechtlich inzwischen auf wackligen Füßen steht. Mögliche Investoren könnten versuchen, ihre Interessen gerichtlich durchzusetzen. Es könnte durchaus sein, dass Gerichte die nunmehr 17 Jahre alten Pläne als nicht mehr verbindlich einstufen könnten, so Russig.
Auch wenn das Votum des Ministeriums zum Plan positiv ausfallen sollte, bleiben mehrere Varianten. So kann es eine Genehmigung mit oder ohne Auflagen geben. Bei Letzterem würden die Unterlagen in eingereichter Form nach Bekanntmachung der Genehmigung Rechtskraft erlangen. Gibt es Auflagen, müsste über den Umgang damit wieder der Regionale Planungsverband entscheiden. Können diese umgesetzt werden? Wäre eine Klage möglich? Diese Fragen müssten dann erörtert werden.
Möglich ist aber auch, dass der Regionalplan unter Ausschluss einzelner Kapitel genehmigt wird, wie es 2009 beim Kapitel Windenergienutzung schon der Fall war.
Auch wenn weiter offen ist, wie das Genehmigungsverfahren ausgeht: Für Bernd Grahl ist jegliche Zeitverzögerung etwas Positives. "Solange haben wir hier wenigstens Ruhe."
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