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Enttäuschung an der Bahnhofstraße

Das Quartierszentrum ist geschlossen, um das Gründerzeitquartier ist es still geworden. Doch warum eigentlich?

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Von Ingo Kramer

Dreieinhalb Jahre ist es her, da strotzten sie vor Energie. Vereinsvorsitzender und Anlieger Andreas Lauer sowie Planer und Architekt Hagen Aye hatten den Verein Görlitzer Gründerzeitquartier gegründet. Melanie Köhler begann gerade ihre Arbeit als Quartiersbeauftragte, war Ansprechpartnerin für sämtliche Interessenten im Quartier Bahnhof-/Landeskron-/Leipziger- und Krölstraße. Dieses Viertel wurde damals seit ein paar Jahren umgestaltet. In dieser Zeit sind viele Hinterhausruinen abgerissen, Grünflächen und Wege angelegt und Häuser gesichert worden.

Im Jahr 2007 zeigte Andreas Lauer stolz auf die Neugestaltung des Gründerzeitquartiers. Archivfoto: Christian Suhrbier
Im Jahr 2007 zeigte Andreas Lauer stolz auf die Neugestaltung des Gründerzeitquartiers. Archivfoto: Christian Suhrbier © Christian Suhrbier

Jetzt hat Lauer den Vereinsvorsitz abgegeben an Stefan Müller, den Besitzer des angrenzenden Hauses Bahnhofstraße 10. Und Lauer klingt enttäuscht, wenn er sagt: „Wir sollten ein Schild an das Quartierszentrum hängen: Zu Vermieten.“ Seit über einem Jahr stehen die Räume leer. Doch Lauer will den Kopf nicht völlig in den Sand stecken: „Wir sind am Tiefpunkt, jetzt muss wieder Bewegung rein.“ Ein erster Schritt dazu war der Frühjahrsputz, zu dem der Verein am Sonnabend aufgerufen hatte. Müller will daran anknüpfen: „So etwas machen wir jetzt immer im Frühling und Herbst.“ Er und Aye schließen sich der negativen Sicht nicht so ganz an. Klar sei es im Moment recht ruhig um das Viertel, aber das Erreichte könne sich sehen lassen, sagt Aye. So ist der Leerstand im Quartier binnen weniger Jahre von 67 auf 45 Prozent gesunken. Und niemand bestreitet, dass der grüne Innenhof schöner aussieht als die einstürzenden Ruinen von früher.

Dass es jetzt so ruhig geworden ist, liege ganz klar am Geld. Von 2009 bis 2011 war das Quartier eines von 15 Modellvorhaben im bundesweiten Forschungsprojekt „Eigentümerstandortgemeinschaften im Stadtumbau“. 90 000 Euro Forschungsmittel des Bundes sind in dieser Zeit geflossen. Von März 2012 bis Februar 2013 gab es eine Fortsetzung – mit städtischen Mitteln. So konnte Melanie Köhler noch eine Weile Quartiersmanagerin bleiben. „Danach ist das Rathaus dann eingeschlafen“, sagt Lauer. Zum Thema Fortführung des Quartiersmanagements habe sie sich nicht mehr wirklich konkret geäußert.

Hartmut Wilke vom Amt für Stadtentwicklung bestreitet das nicht. Von Oktober 2010 bis Februar 2013 seien etwa 93 000 Euro im Rahmen des Förderprogramms Stadtumbau Ost geflossen, davon 62 000 Euro von Bund und Land und 31 000 Euro von der Stadt Görlitz, erklärt er. Eingestellt wurde die Förderung nach seiner Auskunft, weil das Ganze befristet war: „Der Vertrag mit dem beauftragten Büro lief Ende Februar 2013 aus.“ Doch hätte ihn die Stadt nicht verlängern können?

Offenbar war sie mit dem Erreichten nicht zufrieden. Einerseits genügte die Projektlaufzeit nicht, um durchgreifende Veränderungen sichtbar zu machen, sagt Wilke. Dann aber äußert er auch leise Kritik: „Andererseits zeigte sich aus den Erfahrungen im Quartier, dass die Aufgaben des Quartiersmanagements zu prüfen und gegebenenfalls neu auszurichten sind.“ Eine Zusammenführung mit dem City-Management zu einem übergreifenden Innenstadtmanagement wäre ein denkbarer Weg. Den aber hat scheinbar niemand wirklich ernsthaft im Blick. Das Ganze, räumt Wilke ein, „ist in der Stadtverwaltung sowie in den politischen Gremien noch zu diskutieren und zu entscheiden.“ Ob und wenn ja wann es dazu kommt, ist also völlig offen. Immerhin gibt es auch eine positive Nachricht: „Bund und Freistaat geben im Programm Stadtumbau Ost auch weiterhin Geld für die Leistungen eines Quartiersmanagements“, so Wilke. Und die Stadt sehe das Zusammenbringen der vielen privaten Eigentümer in den Quartieren der Innenstadt weiter als wichtige Aufgabe. Nicht zuletzt müsste dafür aber auch Geld im städtischen Haushalt eingeplant werden.

Das alles klingt nicht, als ob auf den Frühjahrsputz eine neue Euphorie folgt. Immerhin aber gibt es kleine Fortschritte. Die Firma Thamm & Partner arbeitet an der noblen Sanierung der Löbauer Straße 5. Ihrer Internetseite zufolge sind aber noch nicht alle Wohnungen vermietet. Zudem saniert der Eigentümer der Bahnhofstraße 6 und 7 seine Häuser jetzt nach und nach. Diese Fortschritte freuen auch Aye, Lauer und Müller. „Alle Häuser gleichzeitig zu sanieren, wäre ohnehin unrealistisch“, räumt Lauer ein. So viele neue Mieter auf einmal gebe es gar nicht. Stück für Stück aber werde es weitergehen. Die Brötchen, die jetzt gebacken werden, sind einfach kleiner als die von vor dreieinhalb Jahren.