Von Kathrin Krüger-Mlaouhia
Er war ein gepflegter Rezitator bei Festveranstaltungen, ein versierter Bücherkenner für Seniorentreffs und Prinz im Karneval. Vierzig Jahre lang leitete der Großenhainer den Kulturbund, den er im März 1946 mitbegründet hatte. 1999 wurde neun Jahre nach seinem Tod eine Straße in Kleinraschütz nach ihm benannt. Heute wäre Walter Jacob 100 Jahre alt geworden.
Gern wäre er ein Schauspieler geworden
„Er wollte eigentlich Schauspieler werden, denn dazu hatte er Talent“, erzählt seine Frau Maria-Ilse Jacob. Doch arbeitslose Darsteller gab es in den 30er Jahren viele. So verdiente der Sohn aus dem Textilgeschäft C.F. Naumann am Großenhainer Hauptmarkt 5 zeitweise seine Brötchen als Verkäufer im KaDeWe in Berlin. Der Jungkommunist verteilte in der Naziära Flugblätter – und wurde zwei Mal verhaftet. „Deshalb musste unsere Hochzeit 1941 verschoben werden“, erinnert sich die Witwe. Nach dem Krieg brachte Walter Jacob all seinen Elan in den Kulturbund ein. Besonders die Literatur hatte es ihm angetan. Der Bücherwurm begründete die „Ein Mal im Monat-Veranstaltung“ in der Kulturstätte für vorwiegend älteres Publikum und eine literarische Vortragsreihe im Gesellschaftshaus. Auch Stadtfeste organisierte er mit. Ankündigungsplakate entwarf Jacob selbst und verteilte sie in Geschäften.
In Riesa, Meißen und Coswig hielt er Abende zur Förderung guten Benehmens ab. In Großenhain begründete er den Filmklub, einen Tanzkreis und organisierte in den 50er Jahren den Volksfasching. Unvergessen ist auch seine markante Kommentierung des Films von der Tausendjahrfeier 1954 „Mein Mann stand gern im Mittelpunkt“, begründet Maria-Ilse Jacob das oftmals unentgeltliche Engagement des Großenhainers. Doch besonders eitel war er nicht. Er schätzte Volkstümlichkeit, wird als gerecht und populär beschrieben. 70 Jahre lang hat er geraucht – ohne Zigarre, Zigarette oder Pfeife sah man ihn selten. Dann musste Walter Jacob von einem Tag auf den anderen seiner Gesundheit zuliebe aufhören – und er hat es geschafft.
Über 400 Bücher nannte Walter Jacob sein eigen, er konnte ohne sie nicht leben, meint seine Frau. Stolz war Jacob auf seine Begegnung mit Thomas Mann und einen Schriftwechsel. Doch blieb die Literatur sein Hobby. Beruflich war Jacob als Dekorateur bei der HO angestellt. Die staatliche Handelsorganisation hatte das elterliche Geschäft 1949 einen Tag nach dem 90jährigen Bestehen an sich gezogen...
Die politische Wende
skeptisch betrachtet
Doch Walter Jacob stand zur DDR. Obwohl er vor 1953 wegen der formalen NSDAP-Mitgliedschaft seines Vaters entlassen, doch danach bei der HO wieder eingestellt wurde. „Als er ein Jahr vor seinem Tod noch die politische Wende miterlebte, war er skeptisch über diesen bundesdeutschen Neuanfang“, berichtet seine Witwe. Doch stolz wäre Walter Jacob jetzt sicher auf seine zwei Söhne: Thomas ist Filmregisseur und Matthias Chef eines großen Autohauses in Großenhain.