Der Rosengarten in Diesbar-Seußlitz hat einen neuen Küchenchef. Seit Anfang des Monats bestimmt Reiner Palm, was auf den Tisch kommt. Zusammen mit Ehefrau Heike und Köchin Jana Saalbach hat er sich vorgenommen, die gute Qualität der Speisen fortzusetzen und hier und da zu verfeinern. Denn der 47-Jährige ist Koch aus Leidenschaft.
Das sei von Kindesbeinen an sein Traumberuf gewesen. „Schon mit fünf Jahren habe ich zum ersten Mal gekocht“, erzählt Palm. Ganz Gentleman wollte er seiner Freundin beweisen, dass er, wenn beide mal groß sind, für sie sorgen könne. Er servierte Leber mit Kartoffelpüree. Doch das Fleisch sei ihm nicht ganz gelungen, gibt er zu. „Die Leber war hart wie Holz“, sagt er und fügt lachend hinzu, „vielleicht resultierte daraus mein zweiter Berufswunsch: Tischler.“
Er blieb sprichwörtlich bei den alten Leisten und besann sich auf seine Qualitäten zwischen Töpfen und Schlüsseln. Im Ratskeller Meißen ging er bei Siegfried Schiller in die Lehre. Drei Jahre, die Reiner Palm nicht missen möchte.
Er zehrt immer von ihnen, obgleich Köche heutzutage viel mehr Möglichkeiten besitzen als Ende der 1970er Jahre in der damaligen sozialistischen Mangelwirtschaft. „Aber die DDR-Küche war deswegen keineswegs schlechter“, sagt der gebürtige Meißner. „Wir mussten aus wenigen Zutaten tolle Gerichte zaubern.“
Neuanfang im Westen
Nach der Wende habe er im Westen Berufskollegen kennen gelernt, die nur die Fülle gewöhnt waren. Sobald die vorgefertigten Pommes frites zu Ende gingen, war Schluss mit ihrer großen Kochkunst. „In der DDR haben wir die Pommes noch selbst geschnitten“, sagt Palm. Doch er wünscht sich diesen Staat nicht zurück, auch wenn er ihn in seiner Jugend für das bessere Deutschland hielt. Doch wie viele andere Ostdeutsche ging er nach der Deutschen Einheit vor knapp 20 Jahren in den Westen, um dort sein Glück zu versuchen.
Im bayrischen Aschaffenburg erhielt er im Hotel Wilder Mann eine Stelle als Koch. „Da fing das Lernen noch mal von vorn an“, erzählt er. Er lernte viele neue Rohstoffe und neue Rezepte kennen, wurde gleichzeitig aber auch so etwas wie ein kulinarischer Botschafter. „Unsere sächsische Kartoffelsuppe kam bei den Bayern gut an“, erinnert er sich. Nicht nur wegen dieser Suppe wurde er zwei Jahre später zum Küchenchef befördert. In dieser Position war er auch verantwortlich für den Catering-Service des Vier-Sterne-Hotels. Bei großen Veranstaltungen auf dem Aschaffenburger Schlossplatz galt es, bis zu 10000Gäste zu bewirten. Manch große Berühmtheit genoss seine Küche: Withney Houston, Elton John, José Carreras.
Boris Becker rettete er im großen Medienrummel vorm Verhungern. Joachim „Blacky“ Fuchsberger schmierte er ein Leberwurstbrot, als dieser von Lachs und Kaviar nichts wissen wollte. Und Lieselotte Pulver gab er einen kurzen Nachhilfeunterricht in Sachen Vitamine.
Heimweh brachte ihn zurück
Das Heimweh brachte ihn aber vor zehn Jahren zurück nach Sachsen. Zurück an die Elbe. Von 2000 bis Ende 2008 war er Küchenchef im Meißner Burgkeller. „Dort hatte ich klasse Kollegen und mit Claus Scholze einen sehr guten Chef“, sagt Palm. Aber es war an der Zeit sich abzunabeln und eine neue Herausforderung zu suchen. Sonst würde man betriebsblind. Im Diesbar-Seußlitzer Rosengarten hat er eine Herausforderung gefunden. Und seine geliebte Elbe sieht er auch jeden Tag.Jörg Richter