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Erbitterte Kämpfe in den Straßen der Altstadt

Als eine der letzten Städte wird Leipzig Mitte April von den Alliierten besetzt. Der Wehrmachtsbericht spricht weiter von siegreichen deutschen Truppen, während der Oberbefehlshaber der 1. Ukrainischen Front die Direktive Nr.

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Von Miriam Schönbach

Als eine der letzten Städte wird Leipzig Mitte April von den Alliierten besetzt. Der Wehrmachtsbericht spricht weiter von siegreichen deutschen Truppen, während der Oberbefehlshaber der 1. Ukrainischen Front die Direktive Nr. 00215 für den nordwärts gerichteten Angriff auf Berlin erlässt.

Mittwoch, 18. April: Gegen halb zehn werden in Bautzen alle Stellungen besetzt und die Brücken zündfertig gemacht. Gegen 16 Uhr ordnet Kampfkommandant Oberst Hoepke die Evakuierung der zivilen Bevölkerung an. Die sowjetischen Panzer rollen auf Bautzen zu. Die Ortenburg wird zur Festung erklärt. Auf der deutschen Seite kämpfen in den kommenden Tagen etwa 3 000 Mann, darunter der örtliche Volkssturm, die Hitlerjugend, die Polizei und die Besatzung der Landesstrafanstalt. Hinzu kamen 200 Angehörige der 10. SS-Panzerdivision „Frundsberg“, die beim Abzug in die Nähe Dresdens in Bautzen verblieben waren. Um 23 Uhr nehmen sowjetische Truppen den Schafberg ein.

Donnerstag, 19. April: Die Rote Armee erreicht Bautzen. Nach erbitterten Kämpfen nehmen die Angreifer den Ostteil der Stadt ein.

Kronprinzenbrücke gesprengt

Freitag, 20. April: Die deutschen Truppen ziehen sich auf den inneren Verteidigungsring zurück. Am Holzmarkt und an der Post kommt es zu starken Gefechten. Nachmittags kämpfen sowjetische Einheiten um die Brauerei, erobern das Krankenhaus und nähern sich über den Schützenplatz der Kronprinzenbrücke. Deren Sprengung erfolgt gegen 19 Uhr, wodurch Bautzen vom Westen her abgeschnitten ist. In Berlin feiert Hitler seinen Geburtstag. – In der Nacht gelingt den sowjetischen Truppen der Durchbruch am Holzmarkt und Postplatz, der Weg ins Stadtzentrum ist frei. Es wird um jede Straße, jedes Haus und jede Etage gekämpft.

Sonnabend, 21. April: Die rote Armee erreicht Berlin, in Bautzen ziehen sich die Deutschen immer weiter in Richtung Ortenburg zurück. Sowjetische Einheiten übermitteln ein Kapitulationsangebot. Hoepke reagiert nicht, er lässt den Stadtteil Seidau anzünden. Auch der Westteil der Ortenburg brennt ab. Während der Kämpfe harren weiter 5 000 Zivilisten in der Stadt aus.

Obwohl die sowjetischen Einheiten zu diesem Zeitpunkt fast das gesamte Stadtgebiet erobert haben, gelingt es ihnen nicht, die Ortenburg einzunehmen. Zugleich zeigen die ab 19. April laufenden Gegenangriffe der vierten deutschen Panzerarmee gegen die schwach gesicherte Südflanke der sowjetischen und polnischen Truppen Wirkung. Hoepke erhält den Funkspruch: „Haltet durch, wir kommen!“ Die Ortenburg wird aus der Luft versorgt. Fahnenflüchtige Soldaten werden erschossen.

Brutale Kriegsverbrechen

Sonntag, 22. April: Deutsche Truppen nehmen die polnischen und sowjetischen Armeen in die Zange. Angriffe und Gegenangriffe lösen sich ab. Während der Kämpfe kommt es zu brutalen Übergriffen und Kriegsverbrechen: In Niederkaina brennen russische oder polnische Soldaten eine Scheune nieder, in der sich 195 deutsche Volkssturmleute befinden. Für die Kriegsgefangenen gibt es kein Entrinnen. In Guttau werden in einer Schule polnische Verwundete ermordet. In Bautzen verlieren Russen und Polen an Boden.

Montag, 23. April: Der sowjetische Stab im Rathaus ist eingeschlossen, kämpft sich jedoch frei und zieht sich in den Nordteil zurück. Der deutsche Angriff zur Rückeroberung der Stadt bekommt mit dem Eingreifen der ersten Fallschirmpanzerdivision „Herrmann Göring“ eine noch größere Wucht. Die Ortenburg mit einer 400-Mann starken Besatzung und der Schützenplatz bleiben während der gesamten Kampfhandlungen in deutscher Hand.

Quellen: Wolfgang Fleischer, Das Kriegsende in Sachsen 1945. Bautzener Tageblatt