Von Heinz Fiedler
Theaterspiel an den Schulen unserer Heimat, das war jahrzehntelang Glanzpunkt und Selbstverständlichkeit im Ablauf eines Schuljahres. Seit mindestens 1865 verwandelten sich im Dezember viele Bildungseinrichtungen im Weißeritztal in ein Märchenland.
Für Volksschulen ist das Einstudieren zum Fest ein Erlebnis besonderer Art. Mit einer erzieherischen Fußnote: Im Theaterspiel sehen Pädagogen Möglichkeiten, Gemeinschaftssinn und Kreativität zu wecken und zu fördern.
Nun, bis ins 19. Jahrhundert reicht die von Roland Hanusch, Pädagoge, Publizist und Pflaumentoffelforscher, zusammengestellte Dokumentation nicht zurück. Der heute 67-Jährige beschränkt sich in seinem Rückblick auf die Zeitspanne von 1920 bis in unsere Tage. Auf der Grundlage von Zeitungsbeiträgen und mündlichen Erinnerungsberichten entriss er eine Fülle eindrucksvoller Fakten der Vergessenheit. Nach seinen Ermittlungen treten einheimische Schulen in den verflossenen reichlich 80 Jahren mit 223 Neuinszenierungen an die Öffentlichkeit. Die Anzahl der Vorstellungen liegt natürlich um vieles höher. Veränderungen nach oben könnten sich auch dann ergeben, wenn es dem Verfasser gelingt, die Ergebnisse stillgelegter Bildungungsstätten zu ergründen.
Raritätenmann aus Sachsen
Die Gewichte sind ungleichmäßig verteilt. Es gibt Schulen, an denen das Theaterspiel schon fast ein Pflichtfach ist. Hanusch zitiert u.a. die Deubener Pestalozzischule, die Döhlener Schillerschule, die Potschappler Lessingschule sowie die Volks- und Grundschulen von Rabenau/Obernaundorf, Hainsberg, Kreischa, Wilsdruff, Wurgwitz, Birkigt und später die Erweiterte Oberschule/Gymnasium.
Entscheidend ist immer die Einstellung der Lehrkräfte zum weiten Feld der musischen Bildung. Neben der Einstudierung von Stücken zeichnen sich Lehrer zugleich als Autoren von Bühnenwerken aus. Die Dokumentation erinnert an den unvergessenen Otto Roth (1890-1946), dessen Hauptwerke „Rotkopf Görg“ und „Die Glücksuhr“, die 1921 bzw. 1927 mit nachhaltigem Erfolg an der Deubener Pestalozzischule ihre Uraufführungen erlebten. Der hochgeschätzte Rabenauer Pädagoge Konrad Grüttner (1894-1982) schreibt mit „Genoveva an der Weißeritz“ ein mehrfach aufgeführtes Heimatspiel um den Maler Ludwig Richter. Eugen Schlönvogt, Wilsdruff, steuert die Märchen „Kathrinchen und die Wunderfeder“ und „Der Hexenmeister“ bei. Im Gasthof Kohlsdorf hat Reinhold Scheibners Sagenspiel „Der Hirtenbub von Kohlsdorf“ Premiere.
Lehrer als Komponisten
Häufig gespielt wird das zu jeder Jahreszeit passende Märchen „Schniepapo, der Zaubermeister, und die kleinen Schulhausgeister“ von Albert Sixtus. Im Freitaler Land spielt Birkigt als erste Schule den „Schniepapo“. Der „Raritätenmann aus Sachsen“ kommt an einigen Bildungsstätten zur Premiere. Das Stück stammt von Franciscus Nagler, Lehrer und Kantor in Leisnig an der Mulde.
Das Märchen von seinerzeit, für das oft ein Zuviel an Gemüt und Gefühl typisch ist, trifft man heute kaum noch an. Generell wird gegenwärtig an den Schulen rund um den Windberg, aber auch anderswo, zuwenig Wert auf eigene Theateraufführungen gelegt. Begründung: Der Lehrplan lasse keine mit großem Aufwand verbundenen Extratouren zu.
Hanusch führt in seiner Dokumentation einige anspruchsvolle Aufführungen aus jüngerer Vergangenheit und Gegenwart an. Das reicht bis hin zu „Wilhelm Tell“, Kleists „Der zerbrochene Krug“, Goldonis Komödie „Diener zweier Herrn“ und „Kater Lampe“.
Verewigt sind in Roland Hanuschs Arbeit die Namen der Pädagogen und Persönlichkeiten, die zu den inszenierten Stücken Musik komponierten. Da finden sich Namen wie Ernst Baumann, Kurt Hasse, Manfred Nieruch, Kurt Pilz, Heino Terpe, Martin Ulbricht und Helmar Federowski. Mit einbezogen sind Aufführungen der einst recht umfangreichen heimischen Laienspielbewegung. Ein Kapitel, über das wir zu einem späteren Zeitpunkt berichten.
Neun Monate hat der in Zauckerode ansässige Pädagoge an der mit Fotos illustrierten Dokumentation gearbeitet. Eine selbst gestellte Aufgabe, die Hanusch mit Akkuratesse und enormem Engagement bewältigte. Der Senior erweist sich als ein Meister der Recherche. Seine Arbeit ist für das Schulhistorische Museum in Birkigts ehemaliger Schule bestimmt.