Von Udo Lemke
Die „Deutschen Christen“ hatten sich in der Kirche verschanzt, um die Christen der „Bekennenden Kirche“ daran zu hindern, am Gottesdienst teilzunehmen. Diese hebelten daraufhin die vernagelte Eingangstür auf und verschafften sich so gewaltsam Zugang zum Gotteshaus.

Was wie eine Episode aus der Zeit der Reformation klingt, als sich katholische und lutherische Christen bekämpften, spielte sich 1935 ab und markierte den Höhepunkt des sogenannten Kirchenkampfes in Sacka. Vereinfacht gesagt standen sich mit den „Deutschen Christen“ Anhänger von Hitler, die die Kirche im Sinne des Nationalsozialismus gleichschalten wollten, und mit der „Bekennenden Kirche“ solche Christen gegenüber, die für die Eigenständigkeit der Kirche kämpften. Erschütternder Tiefpunkt der Auseinandersetzung war die Einlieferung des damaligen Sackaer Pfarrers Hermann Gotthard Denneberg (1908 - 1988) auf die Sachsenburg, eines der frühen Konzentrationslager in Sachsen. „Pfarrer Denneberg musste sein Engagement mit einem halben Jahr KZ büßen. Er hatte großes Glück, denn danach konnte er wieder als Pfarrer arbeiten“, heißt es in der 2001 erschienenen Chronik zum 725-Jahrfeier von Sacka.
Alte Gebäudeteile im Garten
Für Pfarrer Eike Staemmler, seit 2001 in Sacka, hat diese Geschichte hohen Wiedererkennungswert. Auf seinen bisherigen Stationen in Königstein, Dresden-Zschachwitz und Dresden-Leuben war er in Gestalt seiner Amtsvorgänger ebenfalls mit dem Kirchenkampf während der Zeit des Nationalsozialismus konfrontiert: „Diese Vorgeschichten sind dramatisch und zum großen Teil unaufgearbeitet.“ Und: „In allen Gemeinden gibt es unterschwellige Verbindungen zur Vergangenheit.“
In Sacka zeigen sie sich in Gestalt des Pfarrhauses ganz offenkundig. Denn, dass dieses in den Jahren 1952/53 neu gebaut worden war, hat mit dem Zweiten Weltkrieg aber auch mit dem Kirchenkampf zu tun. Nachdem eine versprengte SS-Einheit Ende April 1945 bei Gefechten 13 sowjetische Soldaten getötet und unwürdig verscharrt hatte, nahmen die Russen Rache und erschossen ihrerseits 13 wahllos aus Tauscha geholte Männer. Außerdem brannten sie die Gehöfte um die Kirche nieder, darunter auch das Pfarrhaus. „Das alte Pfarrhaus war im unteren Teil aus Bruchsteinen gebaut, im oberen aus Holz, das hat schön gebrannt“, sagt Eike Staemmler.
Dass in Sacka der erste Neubau eines Pfarrhauses in Sachsen nach dem Krieg neu entstehen konnte, hatte mit Hugo Hahn (1886 - 1957) zu tun. Er war der erste Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens nach dem Krieg und hatte zur „Bekennenden Kirche“ gehört. Er verhalf seinem alten Mitstreiter Pfarrer Denneberg zu einem neuen Pfarrhaus. „Man findet im Garten immer wieder Teile des alten Gebäudes“, erzählt Pfarrer Eike Staemmler. Nicht allein dieser Schutt wurde auf dem Gelände verwendet, sondern auch solcher aus dem zerstörten Dresden. Die Sandsteine der schönen Terrasse, auf der manchmal Theater gespielt oder gesungen wird, stammen von dort.
Das Sackaer Pfarrhaus, obwohl 1953 fertiggestellt, atmet noch ganz den architektonischen Charme des Neuen Bauens, das bis in die 1930er Jahre propagiert wurde. Auffallend ist die sachliche Innenausstattung mit schlichtem Schmuck an den Türen und Lampen, einer einfachen Holztreppe ins Obergeschoss und Klinkerfußboden im Eingang. In den Gemeinderaum im Erdgeschoss fällt viel Licht durch die hohen Fenster. Der Blickfang sind die Holzleuchter. Sie zeigen christliche Symbole wie den Fisch als Zeichen für Jesus, das Lamm Gottes mit der Fahne der Auferstehung oder den Paradiesvogel, der für die Verheißung des ewigen Lebens im Himmel steht.
Der Pfarrer fühlt sich wohl
„Das Haus steht gut auf dem Gelände, die Verbindungen zu anderen Gehöften sind da, die Leute sehen, wenn ich im Garten arbeite oder Holz hacke, und trotzdem ist alles durch die Mauer etwas abgeschlossen“, antwortet Eike Staemmler auf die Frage, wie ihm das Haus gefällt. „Weil ich aus Dresden gekommen bin, will mir keiner so recht glauben, dass ich hier glücklich bin. Ich würde gern bleiben, so schön ist das hier.“ Aber zum Pfarrhaus gehört, dass der Pfarrer auszieht, wenn seine Zeit vorbei ist. Eicke Staemmler: „Ich werde wahrscheinlich noch vier Jahre arbeiten.“