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Erkundungen in einem vergessenen Dorf

Kurz hinter dem alten Grenzübergang in Zinnwald-Georgenfeld biegt ein Reisebus auf tschechischer Seite in eine kleine Nebenstraße ab. An der kleinen Kapelle verlangsamt er seine Fahrt. Aufmerksam lauschen...

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Von Karin Grießbach

Kurz hinter dem alten Grenzübergang in Zinnwald-Georgenfeld biegt ein Reisebus auf tschechischer Seite in eine kleine Nebenstraße ab. An der kleinen Kapelle verlangsamt er seine Fahrt. Aufmerksam lauschen 24 Schüler aus Geising und Krupka den Ausführungen von Betreuer Martin Rak, der ihnen auf Deutsch und Tschechisch einige Informationen zur Geschichte der Kirche „Maria Himmelfahrt“ in Cinovec (Böhmisch-Zinnwald) gibt. Die Mädchen und Jungen gehören zu einer Arbeitsgemeinschaft, die im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes der Mittelschule Geising und einer Schule in Krupka (Graupen) das Leben ihrer Vorfahren erforschen.

Von ihren Lehrern Ute Burock und Martin Rak haben sie von einem Dorf erfahren, das einst fast genau auf halbem Weg zwischen ihren Schulorten Geising und Krupka existierte. Nachdem sie sich bei einem Projekttag im November bereits im Freilichtmuseum von Zubrnice (Saubernitz) anschauten, wie die Menschen auf dem Lande früher lebten, suchen die Schüler dieser Tage nach Überresten des in den 1950er-Jahren verschwundenen Dorfes Vorderzinnwald.

Christa Knauthe und Anni Hantschel, zwei ehemalige Einwohnerinnen, begleiten die Jugendlichen. Nach dem Aussteigen haben beide Frauen zunächst einige Probleme, sich zu orientieren. „Die Bäume sind in den vergangenen 60 Jahren mächtig gewachsen“, stellt Christa Knauthe fest. Die 72-Jährige wurde als Neunjährige mit ihrer Familie aus Vorderzinnwald vertrieben. Ihre Eltern bewirtschafteten einst einen der vier Gasthöfe. „Unser Dorf war im Sommer genauso beliebt bei Touristen wie im Winter“, erzählt sie. Ungläubig schütteln Martina, Michaela und Tom den Kopf, als ihnen Anni Hantschel erzählt, dass es bis zu ihrer Vertreibung 1946 keinen elektrischen Strom in ihrem Dorf gab. Bei Dunkelheit spendeten Petroleum- und Karbidlampen ein trübes Licht. Das Radio wurde mit Akkus betrieben, die zum Aufladen mit in die Bergwerke der Region genommen wurden, wo viele der Männer arbeiteten.

„Hier stand das Haus von unserem Arzt Dr. Böhm“, erklärt die 83-jährige Anni Hantschel Schülerin Damaris Fischer (12) aus Geising, die mit ihren Freunden gerade ein kleines Erdloch entdeckt hat. Einige Mauerreste lassen darauf schließen, dass die Öffnung einst in den Keller des Arztes führte. Die Stelle wird sogleich fotografiert.

Alte und neue Fotos

„Wir haben zehn alte Fotos von ehemaligen Gebäuden in Vorderzinnwald“, erzählt Lehrer Martin Rak. Mit Hilfe der früheren Einwohnerinnen suchen die Schüler nun deren Standorte und machen aktuelle Fotos. Diese Bilder brauchen die Schüler zum Anfertigen von Informationstafeln für einen vier Kilometer langen Lehrpfad, der durch das Gebiet des ehemaligen Vorderzinnwald führen wird.

Finanziell gefördert wird das Projekt unter anderem vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der Firma Lesy CR, die für den tschechischen Staatswald verantwortlich ist, sowie den Städten Dubi (Eichwald), Geising und Krupka. „Wir sind sehr froh, dass wir auch vom Hotel Lugsteinhof und der Schellhausbaude in Geising Unterstützung bekommen“, ergänzt Lehrerin Ute Burock, die für die Mittelschule Geising das Projekt betreut.

Nach der Eröffnung des Lehrpfades soll im nächsten Schuljahr ein Begleitheft entstehen.