Ermittlungen nach Pirnaer Corona-Demo

Nach den beiden tätlichen Angriffen auf Polizisten bei dem verbotenen „Spaziergang für Grundrechte“ mit einer Ansammlung von bis zu 200 Menschen am Sonntagnachmittag in Pirna ermittelt jetzt der Staatsschutz. Im Fokus stehen die beiden Männer, die mit körperlicher Gewalt versucht haben, die Polizeiketten zu durchbrechen, so Lukas Reumund, Sprecher der Polizeidirektion Dresden. Zunächst hatte ein 54 Jahre alter Dresdner „durch Schubsen, Arme wegschlagen und Worte, die als Beleidigung aufzufassen sind“ die Ordnungshüter am Obermarkt attackiert und sich den Beamten widersetzt. Als sie seiner habhaft werden wollten, wehrte er sich zunächst und schrie um Hilfe. Das ist auch auf einem Video zu sehen. Kurz danach klickten bei ihm die Handschellen.
Außerdem hatte die Polizei auf der Dohnaischen Straße am Klosterhof einen 27-Jährigen aus Dohna vorübergehend festgenommen, um auch seine Identität zu klären. Der junge Mann war an einer Polizeisperre an der Kreuzung zur Langen Straße von hinten auf Polizisten zugestürmt und hatte einen Beamten geschubst sowie dort mit seinem Handeln einen kurzzeitigen Tumult ausgelöst. Zudem soll er einer Polizistin an den Haaren gezogen haben und einen Polizisten mit seinem Knie am Oberschenkel getroffen haben. Der 27-Jährige war bereits bei einer ähnlichen vorherigen Veranstaltung auf dem Pirnaer Markt gegenüber der Polizei in Erscheinung getreten. Auf einem Video ist zu hören, wie der 27-Jährige nun von Passanten als "behindert" bezeichnet wird - womit sie meinen, die Polizei habe keinen Grund, ihn festzuhalten. Bei einem dritten Mann, der sich komplett schwarz vermummt hatte und der ebenfalls am Klosterhof kurzzeitig von Einsatzkräften festgehalten wurde, prüft die Polizei indes, ob er eine Straftat begangen habe.
Die Kundgebung war nicht angemeldet und auch vor Ort war niemand bereit, die Versammlungsleitung zu übernehmen und damit die Demo auf legale Beine zu stellen. Der Aufruf zu der Kundgebung wurde über Messenger-Dienste verbreitet. Augenzeugen haben berichtet, unter den Teilnehmern seien viele Auswärtige. Gesehen wurden in der Menge Akteure der extremistischen Heidenauer Wellenlänge.
Nicht dabei waren bei dieser dritten unangemeldeten Demo innerhalb zwei Wochen solche bekannten Gesichter wie zum Beispiel der Pirnaer Stadtrat Tim Lochner aus der AfD Fraktion oder Vertreter der identitär ausgerichteten Pro Patria Pirna.

Die Jusos im Landkreis verurteilten die als Spaziergang deklarierten Kundgebungen. Die Kreisvorsitzende der SPD-Jugend, Sabrina Repp, sagte: "Die Geschehnisse der vergangenen Tage hinterlassen Kopfschütteln und Wut. Dass diese Spaziergänge stattfinden, ist sowohl unverantwortlich als auch gefährlich." Die Vertreter rechten Parteien würden damit ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Bürger lediglich nach Aufmerksamkeit suchen. Man schrecke auch davor nicht zurück, Verschwörungstheorien zu nutzen. "Mit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen geht man Rechtspopulismus auf den Leim", so Repp weiter. Sie forderte Lochner auf, sein Mandat zurückzugeben. Eine weitere Forderung ging an Landrat Michael Geisler (CDU). Dieser sollte sich klar positionieren und ein Konzept vorlegen, wie er die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung angesichts dieser unangemeldeten Veranstaltungen im Landkreis durchzusetzen gedenkt.
Der Pirnaer Grünen-Politiker Nino Haustein meldete sich auf Facebook zu Wort und meinte mit Blick auf rechte Demonstranten: "Peinlich, dass sie die Polizei dann beklatschen, wenn sie gegen vermeintliche Linke, Flüchtlinge oder andere unliebsame Gruppen vorgehen, bei sich aber direkt ins Unterdrückungsmimimi verfallen. Peinlich, da sie ganz genau wissen, dass sie die ersten und lautesten auf der Straße und im Netz wären, die bei steigenden Infektionen, Kranken und Toten nach dem Staat rufen - spätestens, wenn Oma oder der Nachbar dran sind. Peinlich, wie sie sich als ,das' Volk sehen und als Volkshelden feiern."
Bei der jüngsten Demonstration sind nach Behördenangaben drei Polizeibeamte – eine Frau und zwei Männer – leicht verletzt worden. Sie hatten bei Versuchen von Teilnehmern, die Polizeiketten zu durchbrechen, unter anderem Prellungen und Blessuren erlitten. Nach den Angriffen seien sie aber weiterhin dienstfähig. Die Mehrzahl der Spaziergänger trug weder Schutzmasken noch hielt sich an Abstands-Regeln, so dass noch wegen zahlreicher weiterer Verstöße gegen die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung ermittelt wird. Dazu wertet die Polizei noch zahlreiches Videomaterial aus, hieß es. (SZ)
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