Von Andreas Kirschke
Welche Vorteile die zweisprachige sorbisch-deutsche Schule mit sich bringen kann, ist derzeit in aller Munde. Die Idee wird auch durch den Austausch von Klassen befördert. SZ erlebte kurz vor Ostern den Besuch von Räckelwitzer Schülern in Schleife mit.
Pomhaj Bóh“, heißt Pfarrerin Ulrike Menzel die Kinder mit dem Gruß der evangelischen Sorben willkommen. Im Altarraum der Kirche Schleife richten sich etliche neugierige Augenpaare auf sie. Sie wandern auf das Kruzifix, auf die Bildnisse an den Wänden. Schließlich auf Manfred Hermasch, den Regionalsprecher der Domowina Weiß-wasser/Niesky. Er erzählt den Schülern aus der 3. Klasse der Michal-Hornik-Grundschule Räckelwitz und der Schleifer Grundschule in Sorbisch aus der Geschichte des Ortes und der Kirche. Frühlingsprojekt-Tag in Schleife – der Austausch zweier Schulen, die beide das „Schulart-übergreifende Konzept, die zweisprachige sorbisch-deutsche Schule“ (SZ berichtete), praktizieren.
„Wir freuen uns, dass ihr da seid. Ich hoffe, dass ihr gut Sorbisch zusammen sprecht“, grüßt Erich Krautz, Leiter der Grundschule Schleife, die Räckelwitzer Kinder. Und er betont: Die schönsten verzierten Ostereier entstehen in Schleife! Die Kinder nehmen ihn gleich beim Wort. In der Wachstechnik verzieren sie im Sorbischen Kulturzentrum Ostereier. Nebenan, im Kinder- und Jugendbegegnungszentrum am Pfarrhaus, bastelt eine zweite Gruppe mit Ulrike Menzel Osterkerzen. Diese erzählt von der Ostermesse. Vom Licht, das in tiefer Nacht in die Kirche hineingetragen wird.
„Wofür die Buchstaben
auf der Kerze?“
„Wofür stehen eigentlich die beiden Buchstaben A und Omega auf der Kerze?“, fragt sie die Kinder. Ein Arm reckt sich in die Höhe. „Für Anfang und Ende.“ Die Vorfreude auf Ostern steht nicht nur dem Jungen ins Gesicht geschrieben. „Ich finde es toll, dass wir Ostern feiern. Andere Kulturen kennen es gar nicht“, freut sich Bernadet Lange aus der Räckelwitzer Grundschule schon riesig auf das höchste Fest der Christenheit. „Weil Jesus auferstanden ist.“ Ihr Onkel reitet Sonntag in der Nebelschützer Osterreiter-Prozession mit. Bernadet erzählt stolz, dass sie zum Schluss – mit dem Pferd von Nebelschütz in ihr Heimatdorf Wendischbaselitz zurückreiten darf. Ihre Verständigung mit den Schleifer Schülern in Sorbisch klappt schon recht gut. Auch wenn nicht jedes Wort gleich geläufig ist. „Manche Wörter kennen wir so im Alltag nicht. Und manchmal klingt es fast wie tschechisch“, schildern Bernadet, Julia, Maria und Jadwiga, wie das Sorbisch der Schleifer in ihren Ohren „ankommt“. „Es macht einfach Spaß, sich Sorbisch zu unterhalten“, zeigen Paul Hoppe, Ronny Hottas, Max Röchert und Julian Grosa aus der Grundschule Schleife stolz ihre Osterkerzen.
Ronny, Max und Julian weilten vor einem Jahr mit anderen Schülern in Räckelwitz. Sie erlebten hier einen ganzen Vormittag den muttersprachlichen sorbischen Alltag mit. Sie saßen im Mathe- und Sorbischunterricht, sie spürten, wie lebendig die Sprache auch in den Pausen - auf dem Schulhof - ist. „Sie halfen sich gegenseitig aus“, gewinnt Manfred Hermasch dem Austausch Räckelwitz-Schleife viele gute Seiten ab. „Unsere Schleifer Schüler können Sprachhemmnisse abbauen. Sie spüren, dass sie mit der Sprache nicht allein sind. Außerdem macht das Sorbisch lernen in einer Gruppe mehr Spaß.“
Zurück geht der Austausch auf jahrelange gute Kontakte zwischen Erich Krautz und Barbara Förster, Leiterin der Räckelwitzer Grundschule. Beide studierten am Lehrerbildungsinstitut in Bautzen. „Die Kontakte sind nie abgerissen“, sagt Barbara Förster. Dankbar ist sie dem Witaj-Sprachzentrum Bautzen für die Unterstützung des Austausches. Denn die Kollegen von dort haben die weite Busfahrt von Räckelwitz nach Schleife organisiert. Es ist sozusagen der „Gegenbesuch“.
„Unsere Kinder sind
sehr gern gefahren“
„Unseren Kindern weitet er den Blick: auf Schleife, auf die historische Kirche, das Sorbische Kulturzentrum, auf das Begegnungszentrum, die Pfarrerin“, hält Barbara Förster den sprachlichen Austausch für ungemein wertvoll. „Das Hören, Empfinden, das Miteinander-Reden in Sorbisch – darauf kommt es doch an. Unsere Kinder sind gern gefahren.“ Weckt doch der Austausch Freude und Stolz in ihnen.
Den Stolz, dass die Schleifer Kinder ihre Muttersprache erlernen. Für diese wiederum ist der Austausch Ansporn, Ermutigung, zusätzliche Motivation. „Sie haben das Erlebnis: es gibt diese Sprache tatsächlich. Ganz lebendig. Und dieses Wissen ist ungemein wichtig“, meint Silvia Seitz, Lehrerin für Deutsch, Sorbisch und Heimatkunde in der zweisprachigen Gruppe. Sechs der insgesamt 23 Schleifer Drittklässler gehören zu dieser Gruppe. Der Austausch mit Räckelwitz stärkt sie. „So eine Tradition erwachsen zu lassen, ist immer wertvoll“, findet Silvia Seitz. „Es ist letztlich ein Geben und Nehmen.“ Und Barbara Förster fügt an: „Wir sollten den Austausch vertiefen.“