Von Sylvia Gebauer
Gekonnt bewegt sich Clement Artur durch die Werkstatt. So, als ob er schon viele Jahre hier arbeitet — beim Arnsdorfer Raumausstatter Schwarzmeier. Wenn er Faden und Nadel braucht, weiß er sofort, wo er die Sachen findet. Das Werkzeug, wie die passende Schere, hängt in dreier Reihe an einem Brett. Nun noch die Sprungfedern. Dafür muss Clement Artur einen Etage tiefer gehen. Nach kurzer Zeit kommt er mit zwei Säcken zurück. Mit den Sprungfedern hat er eine Sache gemeinsam. Beide kommen aus Frankreich.


Clement Artur ist Polsterer und Mitglied in der französischen Wandergesellenvereinigung „Compagnons du Devoir“. Der Deutschlandchef der Vereinigung rief im vergangenen Jahr bei Jürgen Schwarzmeier an. Für den Chef des traditionsreichen Arnsdorfer Unternehmens ist das nichts Ungewöhnliches. Er kennt das, und weiß sofort: In einigen Monaten wird ein Wandergeselle vor seiner Tür stehen. Mit Sack und Pack, um hier zu arbeiten. Angefangen hatte alles 2005. Jürgen Schwarzmeiers Tochter Antonia lernte selber in Frankreich. Als sie wieder zu Hause war, sagte sie. „Papa, du musst auch einen Wandergesellen aufnehmen“. Bei dem einen ist es nicht geblieben. Bisher kamen fünf Franzosen und ein Deutscher Wandergeselle hierher. Der Raumausstatter freut sich über den Besuch, bringen die Franzosen doch anderes Werkzeug, Techniken und Disziplin mit. Während ihres Aufenthaltes wohnen sie im Haus von Jürgen und Florentine Schwarzmeier. Für sie steht ein Gästezimmer bereit. Freie Kost und Logis inklusive.
Am 1. Juli 2012 war es wieder soweit, Diesmal stand Clement Artur vor Jürgen Schwarzmeiers Tür. Arnsdorf ist die dritte Station auf seiner Reise. Aber die erste in Deutschland. „Zuvor arbeitete ich in Paris und Bordeaux“, sagt der Franzose in gutem Deutsch. Ohnehin ist er sprachgewandt, spricht zudem noch Englisch und Spanisch. Das hilft, denn der 21-Jährige will nicht nur arbeiten, sondern auch die Kultur und die Region kennenlernen. „Im März besucht er zum dritten Mal die Semperoper, so oft war ich in den vergangenen 20 Jahren nicht dort“, sagt Jürgen Schwarzmeier und muss dabei schmunzeln. Zudem schaute sich der junge Franzose bereits Prag, Breslau und die umliegenden Schlösser an. Dieser Wissensdurst überrascht auch Jürgen Schwarzmeier. „In dieser Form habe ich das auch noch nicht erlebt“, sagt er.
Durch seine langjährige Erfahrung kann er den Wandergesellen viel zeigen. Auch das Nähen, was Clement Artur hier in Arnsdorf richtig gelernt hat. Besonders die älteren Sachen interessieren ihn. Später will er sich als Raumausstatter auf die klassischen, älteren Sachen spezialisieren. Die modernen sind nicht so sein Ding, wie er selber sagt. Doch auch sie gehören dazu. Zum täglichen Geschäft, in dem auch einmal die Sitzfläche härter gemacht werden soll. So will es die Kundin. Und die sind ja bekanntermaßen König. Deshalb braucht Clement Artur Nadel, Faden und eben die Sprungfedern. In wenigen Minuten hat er die erste Feder angebracht. Dass die Materialien, wie der Wandergeselle, aus Frankreich kommen, ist nichts Ungewöhnliches. „Ich schätze die hohe Qualität des Materials, deshalb bestelle ich viel dort“, sagt Jürgen Schwarzmeier.
Voraussichtlich im Mai wird Clement Artur seine Sachen packen. Dann zieht er weiter. Eines steht von Anfang an fest, der Aufenthalt in Arnsdorf ist auf neun Monate begrenzt. Wohin es ihn verschlagen wird, weiß Clement Artur selber auch noch nicht. Drei Orte hat er angegeben: Lille, Brüssel und Straßburg. Ihm geht es nicht so sehr um die Städte, sondern die Firmen interessieren ihn. „Damit ich mich weiter verbessern kann“, sagt er. Wenn er in Deutschland bleiben wollte, hätte ihm Jürgen Schwarzmeier helfen können: „Ich versuche, sie weiterzuvermitteln“.
In viele Sachen bindet der Arnsdorfer die Wandergesellen mit ein. So nahm er den jungen Franzosen auch mit nach Leipzig auf die Denkmal-Messe. „Clement war hier quasi die lebendige Werkstatt“, sagt Jürgen Schwarzmeier. Am Stand zeigte er, wie ein Polsterer arbeitet. Auch diese Erfahrung will der Franzose nicht missen. Neben der Arbeit kümmert er sich um seine Hausaufgaben, die ihm die Wandergesellenvereinigung mit auf den Weg gab. In einigen Monaten kommen alle in Rumänien zusammen. Clement Artur plant eine festliche Tischdekoration, wie sie im Moritzburger Schloss zu sehen ist. Die hat übrigens Jürgen Schwarzmeier angefertigt.