Von Thomas Riemer
Das Arbeitsamt ist in diesen Tagen mal wieder auf „Betteltour“. Die Berufsberater gehen in Betriebe des Landkreises und wollen vor allem eins: Lehrstellen. Denn die nackte Wahrheit auf dem diesjährigen Ausbildungsmarkt verkündete die Arbeitsamtschefin Bärbel Gericke gestern so: „Die Situation hat sich im Vergleich zum Vorjahr auf keinen Fall verbessert.“
Das bedeutet, dass 81 Prozent, also jeder vierte von fünf Bewerbern, bei Halbzeit des Ausbildungsjahres noch mit leeren Händen dasteht. In Zahlen ausgedrückt: Von 3 288 Bewerbern in Riesa-Großenhain und dem „Altkreis“ Meißen wissen 1 205 Mädchen und 1 468 Jungen noch nicht, wie es nach der Schule weitergeht. Der Grund für die neuerliche Misere liegt auf der Hand. Ganze 531 betriebliche Ausbildungsstellen wurden bislang überhaupt gemeldet. Das sind im Vergleich zum Vorjahr
immerhin rund 200 weniger. Die meisten Angebote kommen für künftige Waren- und Dienstleistungskaufleute (91), Metallberufe (61), Verwaltungs- beziehungsweise Büroberufe (78), den Bereich Körperpfleger/Gästebetreuer (70) sowie aus der Ernährungsbranche (48). Dies seien auch die bei den Jugendlichen gefragtesten Berufe. „Die Nachfrage übersteigt aber bisher ganz deutlich das Angebot der Betriebe und Verwaltungen“, sagt Marlies Schneider, die im Arbeitsamt für die Ausbildungsstellen den Hut auf hat. Unter dem Strich bleibe die statistische Formel: Auf einen Ausbildungsplatz kommen derzeit 3,4 Bewerber.
Amtsdirektorin Bärbel Gericke bleibt dennoch einigermaßen ruhig. Die erwähnten 81 Prozent entsprächen genau der Zahl vom Vorjahr, sagt sie. Viele junge Leute werden nach Meinung der Behörde auch in diesem Jahr ihre Ausbildung in einem Nachbaramtsbezirk (vor allem Dresden) oder in westlichen Bundesländern beginnen.
Hinzu kommt wie in jedem Jahr der „Rettungsanker“ Berufsschulzentren. Die stellen insgesamt rund 1 800 Plätze in berufsvorbereitenden Maßnahmen, Berufsfachschulen, Fachoberschulen und beruflichen Gymnasien anbieten. Das Arbeitsamt selbst wird für sozial Benachteiligte und behinderte Jugendliche rund 320 Ausbildungsstellen in zehn Berufen einrichten. Was all das jedoch letztlich für die Statistik bringt, wird sich erst im September und Oktober zeigen. Einen weiteren Schub haben sich die Berufsberater allerdings schon für die nächsten Tage bei ihrer Betriebsaktion vorgenommen. Von derzeit 531 auf 1 000 wollen sie die Zahl der betrieblichen Lehrstellen erhöhen. Kandidaten sind vor allem Firmen und Einrichtungen, die schon seit einigen Jahren nicht mehr ausbilden, sowie stabile Ausbilder, die zu zusätzlichen Plätzen überredet werden sollen.
Doch eine erste Bestandsaufnahme der Aktion bringt Ernüchterung. „Die Ergebnisse nach einer Woche sehen nicht gut aus“, sagt Marlies Schneider mit bitterem Unterton. Die meisten Betriebe würden sich noch bedeckt halten und rechnen.
Ab 2005 herrscht echter Nachwuchsmangel
Das Arbeitsamt will den Betrieben diese Entscheidung „erleichtern“. Die Zahlen für Ausbildungsplatzsuchende werden in den nächsten Jahren kleiner werden. Hinzu kämen zunehmende altersbedingte Abgänge aus dem Berufsleben. „Geburtenschwache Jahrgänge werden nach vorliegenden Informationen ab 2005 zu einem echten Nachwuchsmangel in der Wirtschaft führen“, so Bärbel Gericke.