Von Sven Heitkamp und Lars Radau
Teure Anzüge, teure Brillen, große Aktenkoffer auf Rollen – der Aufmarsch der Gladiatoren im Saal 230 des Leipziger Landgerichts am Morgen des 8. November 2012 machte drastisch deutlich: Hier geht es um verdammt viel Geld. Und in der Tat: Der frühere Vorstandschef der nun abgewickelten Sachsen LB, Herbert Süß, und sein Vorstandskollege Stefan Leusder waren vom Freistaat auf 190 Millionen Euro Schadensersatz verklagt worden. Eine unfassbare Summe, selbst für zwei ehemals leitende Landes-Banker. Das Verfahren ging dementsprechend aus: Ein Jahr später, am 18. November 2013, verkündete das Finanzministerium, man habe sich stillschweigend auf einen Vergleich geeinigt.
Die Köpfe des Milliarden-Desasters der Landesbank
Der Prozesstag am Leipziger Gericht bleibt ein Höhepunkt in der Aufarbeitung des Landesbank-Desasters, das im August 2007 mit dem Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) endete – und Sachsens Steuerzahlern aller Voraussicht nach eine Rechnung von 2,75 Milliarden Euro beschert. In dieser Höhe bürgt der Freistaat gegenüber der LBBW für Verluste, die vor allem aus hochriskanten Geschäften mit US-Hypothekenmarktkrediten der Sachsen LB-Tochter im irischen Dublin resultieren. Mehr als eine Milliarde ist schon futsch – und die Garantiezahlungen laufen weiter. Experten gehen davon aus, dass die volle Summe fällig wird.
Abgeschlossen sind jetzt allerdings die zivilgerichtlichen Klagen gegen acht frühere Bank-Vorstände. Die hatte der Freistaat Ende 2010 mit großem Tamtam auf den Weg gebracht, drei Jahre lang durchgefochten, verhandelt – und am Ende teilweise beerdigt. Ergebnis: Die Vorstände der ersten Generation Michael Weiss, Rainer Fuchs und Hans-Jürgen Klumpp müssen nichts zahlen. Fünf weitere Vorstände schlossen indes einen Vergleich ab, der sich an ihren Vermögensverhältnissen orientieren soll. Unabhängige Wirtschaftsprüfer stellen deren Umfang gerade fest. Neben Süß und Leusder haben sich auch Werner Eckert, Gerrit Raupach und Yvette Bellavite-Hövermann zur Zahlung eines „nicht unerheblichen Teils“ ihres Vermögens verpflichtet (siehe unten).
Dass ausgerechnet die einst schillernden Figuren Weiss, Fuchs und Klumpp nichts an den Freistaat überweisen müssen, haben sie dem Leipziger Landgericht zu verdanken. Das wies die Klagen des Freistaats Anfang November ab. Tenor: Ihre Pflichtverletzungen seien nicht ursächlich für den späteren Kollaps der Bank gewesen. Das Finanzministerium gab kurz vor Weihnachten klein bei. Zumal, so Sprecher Stephan Gößl, weitere Klagen die Anwaltskosten so in die Höhe getrieben hätten, dass sich der Aufwand nicht gelohnt hätte.
28 Millionen nur für Anwälte
Doch damit war einmal mehr klar: Wenn der Finanzminister die Verfahren gegen die Ex-Bankvorstände führt, geht es in erster Linie ums Geld – und nicht um politische Hygiene oder juristische und moralische Aufarbeitung von Verantwortlichkeiten. Minister Georg Unland (CDU) hatte schon darauf verzichtet, die Verwaltungsräte der Sachsen LB als politisch Verantwortliche zu verklagen. Am Ende der Prozesse solle schließlich eine schwarze Zahl stehen. Und Unland betonte stets: „Im Zivilrecht stehen nicht Schuld und Sühne im Vordergrund, sondern der Ersatz von entstandenem Schaden.“ Tatsächlich hat das Finanzministerium bisher 57 Millionen Euro eingetrieben – allein durch Verfahren und Vergleiche mit Versicherern wie dem US-Konzern AIG über 30 Millionen Euro und mit Wirtschaftsprüfern wie PricewaterhouseCoopers (PwC) über 26,6 Millionen. Allerdings wurden zugleich mehr als 28 Millionen Euro an Anwaltskosten ausgegeben – Zahlen, die die Regierung jetzt auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Johannes Lichdi veröffentlichte. Eine Schlussabrechnung steht indes noch aus, zumal die genaue Höhe der Vergleiche mit den früheren Vorständen noch offen ist. Doch angesichts der Milliarden-Last für die Steuerzahler nehmen sich die Einnahmen ohnehin gering aus. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, räumt auch Stephan Gößl ein.
Dass die Sachsen LB überhaupt anfing, dermaßen große Räder zu drehen, hat nicht nur mit dem persönlichen Ehrgeiz der Banker zu tun, sondern war auch politisch gewollt. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und sein Nachfolger Georg Milbradt, zu jener Zeit Finanzminister, pochten im Unterschied zu den übrigen ostdeutschen Ländern auf eine eigenständige Landesbank.
Dabei war von Anfang an absehbar, dass aufgrund des kleinen sächsischen Marktes und der schwachen Wirtschaftsentwicklung im Osten eine sächsische Landesbank im Alleingang ein ökonomischer Zwerg bleiben würde. Das änderte sich erst, als die Bank via Dublin ins Kapitalmarktgeschäft einstieg und ihren Gesellschaftern steigende Gewinne einbrachte. Damals habe keiner genau hingeschaut, woher dieses Geld plötzlich kam, heißt es aus dem Anteilseignerkreis. Man habe die Ausschüttungen kassiert und einfach nicht nachgefragt.
Fehlverhalten nützt
Völlig unklar ist bislang auch, ob die ehemaligen Bank-Chefs strafrechtlich belangt werden. Von den drei Anklagen gegen acht Vorstände wegen unrichtiger Darstellung und Untreue, die die Leipziger Staatsanwaltschaft seit September 2011 erhoben hat, hat das Landgericht bisher nicht eine Anklage zugelassen. Von der ersten Anklage wurden jene Vorwürfe für den Jahresbericht 2003 als nicht zulässig abgelehnt und in weiteren Teilen für 2004 Nachermittlungen gefordert. Weiss und Fuchs sind damit vorerst raus. Die Staatsanwälte haben allerdings Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt und weitere Ermittlungen vorgelegt. Ausgang ungewiss. Auch über die beiden weiteren Anklagen ist noch nicht entschieden. Den Richtern liegen dazu immerhin Hunderte Aktenordner vor.
Besonders schwierig wird die Entscheidung der Richter über die Anklagen aber noch aus einem anderen Grund: Damit die Manager-Haftpflichtversicherung überhaupt zahlt, musste der Freistaat in den Prozessen darauf bestehen, die Banker hätten fahrlässig und nicht vorsätzlich gehandelt. Die Ermittler sagen aber, es habe systematisches und absichtliches Fehlverhalten durch Pflichtverletzungen gegeben. Ein innerer Widerspruch, der auf jeden Fall den Angeschuldigten nutzt. Ob sich die Ex-Vorstände überhaupt jemals in einem Strafprozess werden verantworten müssen, steht damit in den Sternen.