Von Jörg Stock
Die Forststudenten vom Cotta-Club brauchten nicht lange zu überlegen: „Wir pflanzen natürlich eine Hopfen-Buche“, sagte Veikko Villwock, „wegen unseres hohen Bierkonsums.“ Gelächter bei den Umstehenden. Dann wird der Wurzelballen ins Erdreich versenkt – die Studenten sind Baumpaten.
Insgesamt 26 personengebundene Bäumchen wurden gestern von ihren Patronen auf der Erweiterungsfläche des Forstbotanischen Gartens Tharandt in die Ackerkrume gebracht. Der Tag des Baumes war Anlass und Startschuss für die Bepflanzung des 15 Hektar großen Geländes am Harthaer Zeisigweg. In etwa sieben Jahren sollen auf dem Gelände 42 nordamerikanische Waldformationen mit 100 000 Einzelpflanzen gedeihen. TU-Rektor Achim Mehlhorn, der eine Rot-Erle in den Boden gebracht hatte, sprach vom „Schauer des Historischen“, der ihm dabei über den Rücken gejagt sei. „Unsere Enkel und Urenkel werden einmal in diesen Wäldern wandern und ihre volle Schönheit erleben“, schwärmte er vom Gipfel der just fertig gewordenen „Rocky Mountains“ herab.
Dazu brauchten die Baumpaten gestern aber noch einiges an Phantasie. Bewaffnet mit Spaten und Gießkannen zogen sie über den kahlen, staubigen Acker und ließen sich von Kustos Ulrich Pietzarka den Platz für ihren Schützling zeigen. Thomas Grunert aus Kurort Hartha pflanzte mit Tochter Anne eine Scharlach-Eiche am Fuße der „Appalachen“. „Das ist doch eine schöne Erinnerung, etwas Bleibendes“, meinte er. „Und wenn mal die Enkel hier lang gehen, sagen sie vielleicht: Den Baum hat der Opa gepflanzt.“
Mit der Baumpatenschaft will der Forstgarten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen bringt sie Geld in die Kassen der Anlage. Für einen persönlichen Baum, der nachgewiesenermaßen direkt aus Nordamerika stammt, zahlt der Patron 100 Euro. Zum anderen soll die Verbindung des Forstgartens zur Öffentlichkeit dadurch stärker werden, wie Herbert Kunze, der Technische Leiter der Gehölzsammlung, meint. „Wir erwarten, dass die Baumpaten mehrmals im Jahr vorbei kommen und nachsehen, ob ihr Baum auch gedeiht.“ Wenn die ganze Familie mitkommt, lässt das die Besucherzahlen steigen.
Dass man seinen Baum in den zukünftigen nordamerikanischen Wäldern von Hartha auch nicht aus den Augen verliert, dafür garantiert Kustos Pietzarka mit Hightech. Jeder Baum sei mit seinem Standort in einer Datenbank gespeichert. „Der Baumpate braucht nur seinen Namen anzugeben und der Computer druckt eine Karte aus, auf der ich sehe, wo der Baum steht.“
Forstgartendirektor Andreas Roloff nannte die Pflanzaktion einen „sehr guten Anfang“. Die vielen Baumpaten hätten gezeigt, dass die Öffentlichkeit an dem Projekt Interesse habe. „Wir wollen Wissenschaft zum Erleben, zum Anschauen und zum Anfassen“, sagte er.
Tharandts Bürgermeister Hangen Sommer griff ebenfalls zum Spaten und brachte eine Rot-Erle ins Gelände. Die Stadt unterstützt das Nordamerika-Projekt etwa mit Geld für den Brückenschlag über den Zeisig-Grund und für die Wasserversorgung. Der Stadtchef hofft auf die touristische Anziehungskraft des deutschlandweiten Unikums. Zur Rot-Erle hat den Bürgermeister allerdings keine besondere Beziehung. „Jeder Baum hat hier seine Bedeutung“, sagte er und verwies auf die Freude der Nachfahren an den Pflanzen.
Die Cotta-Club-Aktivisten wollen dagegen schon in naher Zukunft Nutzen aus ihrem „Patenkind“, der Hopfen-Buche“, ziehen. „Im Herbst ernten wir den Hopfen und brauen daraus Bier“, verrät Jens Düring und grinst vielsagend.
Einer der Cotta-Clubber, Sebastian Förster, erbarmte sich zum guten Schluss und half dem Autor, ein Bäumchen für die SZ in die Landschaft zu setzen. Quercus velutina heißt es – die Färber-Eiche. Der „Schauer des Historischen“ blieb zwar aus. Dafür war die erste Lebensaufgabe des Mannes geschafft. Da kann das mit Kind und Haus auch nicht so schwer sein. Oder?