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„Es gibt keine Corona-Spardose“

Sachsens Wirtschaftsministerium hält die Hilfsmechanismen für ausreichend, will notfalls aber Geld umschichten.

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Während in der Provinz Hebei in Nordostchina 900 Betriebe die Produktion wieder aufgenommen haben, herrscht in Deutschland Hysterie.
Während in der Provinz Hebei in Nordostchina 900 Betriebe die Produktion wieder aufgenommen haben, herrscht in Deutschland Hysterie. © dpa

Nun auch noch die Hannover-Messe, die weltgrößte Industrieschau. Die Verschiebungen oder Absagen von Großveranstaltungen nehmen auch in der Wirtschaft kein Ende. Das Coronavirus wird zum Problem: nicht nur für die Schaufenster, sondern für alle Branchen. Sächsische.de sprach mit Hartmut Mangold (SPD), Staatssekretär in Sachsens Wirtschaftsministerium – nach Händeschütteln und ohne Mundschutz.

Herr Mangold, wie groß ist der von Ihnen angeschaffte Vorrat an Nudeln, Konserven und Klopapier?

Ich bin nicht vom Hamstervirus befallen. Die einzigen Vorräte, die ich mir als Schottlandfan anlege, stehen in meiner Hausbar.

Was denken Sie über angebliche Hamsterkäufe vieler Zeitgenossen?

Das hat mit Tempo und Allgegenwart von Kommunikation zu tun. Wenn den Leuten von allen Seiten, auch von selbst ernannten Experten, Szenarien vor Augen geführt werden, ist es kein Wunder, dass sie in Sorgen verfallen, die sie nicht haben müssten.

Hat Ihr Ministerium Handschlag-Verbot und eingeschränkten Besucherverkehr?

Wir beteiligen uns nicht an Panikmache und lassen uns regelmäßig von Experten des Gesundheitsministeriums informieren. Sie raten: Wenn man sich regelmäßig gründlich die Hände wäscht, ist das hilfreicher, als sich Desinfektionsmittel drüber zu schmieren, weil Keime so nur nach oben wandern. Es braucht keine Symbolanweisungen. Es reicht der gesunde Menschenverstand: Wenn es die übliche Grippewelle mit vielfach mehr Betroffenen gibt, drücke ich auch keinem die Hand. Wenn Behörden Gefahr in Verzug melden, setzen wir sofort alle Maßnahmen um.

Andere haben angefangen: ITB, Genfer Autosalon, Leipzigs Buchmesse und am Mittwoch die Hannover-Messe – reihum werden Messen abgesagt oder verschoben. Hysterie oder gerechtfertigt?

Unser Ministerium hat sich noch mal alle Messen der nächsten Monate kommen lassen und prüft jeden Einzelfall. Ich bin ein großer Freund der Buchmesse und habe noch keine versäumt. Da wären Aussteller aus über 60 Ländern gewesen und mehr als 280.000 Besucher, die allermeisten nicht registriert. Angesichts des hohen Risikos war die Absage sachgerecht. Treffen sich hingegen deutlich weniger Menschen aus der Region, braucht es das noch nicht.

Demnach ist es auch nicht verantwortungslos, wenn Thomas Schmidt (CDU), Sachsens Staatsminister für Regionalentwicklung, am Donnerstag in Dresden die Baufachmesse HAUS eröffnet.

Er wird sich auch eine Bewertung eingeholt und mit der Stadt entschieden haben.

Die Absagen haben dramatische Folgen für Veranstalter und Aussteller. Gibt es Hoffnung auf Hilfen durch die Politik?

Zwischen Messe und Ausstellern besteht ein Vertragsverhältnis, das auch Schadenersatzansprüche bei Nichtstattfinden regelt. Bei höherer Gewalt bleiben beide auf ihren Kosten sitzen. Die Buchmesse-Organisatoren der Leipziger Messe prüfen das.

Das Unternehmen gehört hälftig der Stadt und dem Land, die jährlich die Verluste ausgleichen. Werden sie 2020 tiefer in die Tasche greifen müssen?

Natürlich müssen wir von geringeren Umsätzen der Messe ausgehen – sowohl für ihre Veranstaltungen in Leipzig als auch anderswo. Darauf müssen wir im Aufsichtsrat achten. Das hat aber mit Managementfehlern nichts zu tun.

Hartmut Mangold (63) war schon 2007-09 Staatssekretär in Sachsen. Der Eisenacher hat das Amt seit 2014 erneut inne.
Hartmut Mangold (63) war schon 2007-09 Staatssekretär in Sachsen. Der Eisenacher hat das Amt seit 2014 erneut inne. © Daniel Förster

Während die Hannover-Messe im Sommer stattfinden soll, fallen andere, wie die Handwerksmesse in München, aus. Kann der Freistaat Betroffenen helfen?

Es gibt keinen Mechanismus des Finanzausgleichs bei Katastrophen. Unternehmen geraten aus vielen Gründen in Schwierigkeiten – ob Hochwasser, Bürgerkrieg in einem Markt oder Corona. Wir tragen Sorge dafür, dass sie unter bestimmten Bedingungen einen Ausgleich bekommen können – etwa durch Darlehen, Bürgschaftsprogramme, Liquiditätshilfen. Wo durch Corona z. B. Lieferketten abgebrochen sind, kann Hilfe beantragt werden. IHK und Handwerkskammern informieren gern.

Hätte der Freistaat auch kurzfristig Geld für zusätzliche Hilfen?

Es gibt keine Corona- oder Cholera-Spardose. Notfalls muss Geld für weniger wichtige Projekte zur Stabilisierung der Konjunktur umgeschichtet werden.

Dennoch rufen FDP und CSU nach Investitionshilfen, Senkung der Stromsteuer, vorgezogener Soli-Abschaffung.

Ich wundere mich nicht über die Rufe, aber darüber, dass sie von jenen kommen, die sonst immer nach weniger Staat und Einmischung schreien. Hier hoffen sie, über Corona ihre üblichen Forderungen umzusetzen. Das ist durchschaubar. Natürlich kann es Situationen geben, wo man zur Stabilisierung der Wirtschaft mehr hilft als unter normalen Bedingungen. Doch dazu braucht es erst mal eine solche Krise.

Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hält bei größeren Verwerfungen ein Konjunkturpaket für möglich.

Das ist ja auch nicht neu. Ich erinnere an die Hochwasser von 2002 und 2013. Da gab es bereits zahlreiche Instrumente für Unternehmen und Arbeitnehmer.

Gibt es schon solche Hilferufe?

Nein. Aber wenn beispielsweise ein Unternehmen Kurzarbeit braucht, geht es zur Bundesagentur, die bei Problemen durch Corona auch diese Maßnahme genehmigt.

Scheinbar sind Großbetriebe mehr bedroht als Mittelständler. Ist Sachsens kleinteilige Wirtschaft da im Vorteil?

Je regionaler einer wirtschaftet, umso weniger ist er von globalen Verwerfungen bedroht. Aber das kann auch unseren Mittelständlern passieren, die Spezialwerkzeuge in alle Welt liefern.

Und China ist für Sachsen bedeutend: als wichtigster Abnehmer seiner Waren – und bei den Einfuhren auf Platz vier.

Ja. Aber da wo jetzt in China Frühling oder Sommer ist, hat das Virus keine Chance. Leider ist das ausgerechnet in Sachsens Partnerregion Wuhan nicht so. Das schmerzt unsere Autobauer und die Elektronik-Industrie, aber es gibt keinen Alarm. Sachsen sind in ganz China aktiv.

Die Wirtschaftsförderung hat eine Unternehmerreise nach China abgesagt.

Wir prüfen alle Projekte und setzen niemanden einem Risiko aus.

Was raten Sie Unternehmen und Arbeitnehmern – massenhaft Homeoffice?

Ich würde mich verhalten wie bei jedem anderen unternehmerischen Risiko und mich, ehe ich mich verrückt mache, beraten lassen. Dort, wo Heimarbeit möglich ist, kann sie gern genutzt werden. Bei angeordneter Haus-Quarantäne sieht es anders aus. Angenommen ein Mitarbeiter eines Metallbetriebs würde nach dem Italienurlaub unter Quarantäne gestellt, dann hätte er weiter Anspruch auf seinen Lohn. Die Firma kann dafür nach Infektionsschutzgesetz bei der Landesdirektion einen Ausgleich beantragen. Ab sechs Wochen gilt dann die Krankengeldregelung wie üblich.

Schon lange wird vor einer neuen Wirtschaftskrise gewarnt. Ist Corona ein Stresstest oder doch ein Beschleuniger?

Kein Prophet hat Corona vorausgesehen. Wenn wir einen warmen Frühling bekommen, gibt es – so sagen Fachleute, zu denen ich nicht gehöre – die Chance, dass die Welle schnell abebbt. Wenn sie nur zwei Monate anhält und der Streuungsfaktor gering ist, wird es nicht so schlimm werden. Da hatte die Lehman-Pleite 2008 ganz andere Folgen. Bei sich überlagernden Wellen über den ganzen Sommer könnte das andere Folgen haben. Daher ist es wichtig, die Zahl der Betroffenen bis zum Sommer so gering wie möglich zu halten. Auch die Wirtschaft ist ein zartes Reh. Man tut niemandem einen Gefallen, wenn man jetzt Katastrophenalarm ausruft.

Das Gespräch führte Michael Rothe


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