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Es hinkt beim Arbeitsschutz in Ostdeutschland

Dresdner Arbeitsmediziner richten einen Treffpunkt für Firmenchefs ein: Sie wollen Rückenschmerzen und Vergiftung vorbeugen.

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Von Georg Moeritz

Dresden. Eine Verbeugung nach der anderen: 1390 Male pro Schicht. Diese Zahl haben Forscher bei einer Pflegerin auf einer geriatrischen Station gemessen. Die Arbeit am Krankenbett ist schädlich für den Rücken – da hilft nur: Betten höher legen und üben, wie man den eigenen Körper im Beruf möglichst wenig belastet. Mit solchen Tipps für den Beruf beschäftigten sich die Forscher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua). Die Dortmunder Behörde hat einen Standort in Dresden mit 40 Beschäftigten.

Im Osten sehen die Arbeitsschützer Nachholbedarf. Nach Angaben der Baua ist der Anteil der Beschäftigten mit Arbeitsunfällen vor allem in Sachsen-Anhalt und Thüringen deutlich höher als im deutschen Durchschnitt. Als mögliche Gründe vermutet die Bundesanstalt, dass es im Osten mehr Teilzeit und Leiharbeit, weniger Tarifverträge und Betriebsräte gebe. In einer Umfrage sagten sechs von zehn Erwerbstätigen, dass sie auch noch nichts von einer Gefährdungsbeurteilung ihres Arbeitsplatzes mitbekommen haben – dabei ist sie gesetzlich vorgeschrieben.

Baua-Sprecher Markus Schulte hält es gerade in den neuen Ländern für dringend, dass die Unternehmen sich auf die zunehmende Alterung ihrer Belegschaften einstellen. Die Chefs müssen sich laut Schulte Gedanken machen, wie sie gute Mitarbeiter halten – über Jahrzehnte. Die Arbeit müsse sich „dem arbeitenden Menschen anpassen“, nicht mehr umgekehrt. Denn die Lebensarbeitszeit wird länger, junge Fachkräfte werden künftig schwerer zu finden sein.

Dresden ist die einzige Stadt in Deutschland, in der die Baua ständig den Kontakt zu Unternehmern sucht – und zu Multiplikatoren wie etwa Betriebsräten. Nur in Dresden hat die Behörde ein „regionales Transferzentrum“ eingerichtet, um den Arbeitsschutz in Sachsen und angrenzenden Bundesländern zu verbessern. Vor allem kleine und mittlere Betriebe sollen Unterstützung bekommen, sagt Volker Steinborn, der für den Dresdner Standort verantwortlich ist.

Mit 30 Dresdner Themennachmittagen wendet sich die Baua in diesem Jahr an Firmen. Den Anfang macht am Donnerstag die Pflege, ein wachsendes Berufsfeld. Die Baua will zur Vorbeugung gegen Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychische Belastungen beitragen. Eine Methode ist nach Ansicht der Behörde die „Selbstbewertung“ der Firmen: Online können sie prüfen, was bei ihnen fehlt.