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Es ist bewiesen: Die Kähnesinkennicht

Hinterhermsdorf. Nach der Saison wurde an der Oberen Schleuse zünftig gefeiert. Zurück hangelten alle sicher am Seil.

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Von Günter Legler

Der Verdienst der Kahnfahrer war nicht so reichlich, dass sie Trinkgeld abgelehnt hätten. Mich fragte eines Tages, als ich aushilfsweise wieder mal mit einem Kahn unterwegs war, der Kahnfahrer Kittel-Helf, wie denn mein Trinkgeld ausgefallen sei. Ich musste ihm gestehen, eher dürftig. Da sagte er, ich solle nach der nächsten Fahrt einmal am Wehr auf ihn warten, da zeige er mir, wie man das richtig organisiere. Beim Aussteigen der Fahrgäste reichte er allen die Hand und half ihnen beim Verlassen des Kahnes. Jedesmal steckte er hinterher seine Hand in die Hosentasche und sagte laut und deutlich: „Dankeschön!“ Durch diesen Trick drückten ihm spätestens ab dem fünften Fahrgast tatsächlich alle ein Trinkgeld in die Hand. Man musste eben nur wissen, wie man es geschickt anstellt.

Alle Flaschen wurden geleert

Den feierlichen Saisonabschluss gibt es heute in der Form nicht mehr. Er war verbunden mit dem Herausnehmen der Kähne und deren Einlagerung im Bootsschuppen. Das war jedes Jahr ein Höhepunkt. Da trafen sich alle Kahnfahrer, die Festangestellten und die Aushilfsfahrer, Bürgermeister, Gemeinderäte, der Gastwirt sowie ein Vertreter des Konsums.

Hatte man den letzten Kahn eingelagert, setzte man sich in dem Gastraum der Rindenhütte zusammen und feierte bis in die späten Abendstunden. Man hielt Rückschau, der Bürgermeister dankte allen, die zum Gelingen der Saison beigetragen hatten. Einen Imbiss spendierte der Bürgermeister – und was ebenfalls zur Tradition gehörte – alle Flaschen, aus denen durch den Wirt schon an den Tagen zuvor an die Schleusenbesucher ausgeschenkt worden war, durften bis auf den letzten Tropfen geleert werden. Heimlich wurde gemunkelt, der Gastwirt habe extra an den letzten Tagen noch einige neue Flaschen geöffnet, damit eine richtige Stimmung aufkommen konnte.

An einem solchen Tag stellte man einmal fest, dass in allen Jahren noch nie ein Kahn gekentert sei. Daraufhin wurde eine Wette abgeschlossen, die lautete: Einen Kahn kippen wir, das ist zu schaffen! Deshalb startete man den Versuch, den letzten Kahn, der noch eingelagert werden musste, vor der Gaststätte zu versenken. Trotz der sechs sich darin befindenden Personen, die sich alle Mühe gaben, gelang es nicht. Der Beweis war erbracht, die Kähne in der Oberen Schleuse waren absolut sicher. Ich weiß nicht mehr, wer die Wette verloren hatte, aber ein weiterer Umtrunk fand anschließend statt.

Kurios war zu später Stunde der gemeinsame Heimweg. Es wurde ein langes Seil ausgerollt, und jeder, der an der Abschlussfeier teilgenommen hatte, hielt sich auf der gesamten Wegstrecke bergauf daran fest. Es war ja schon dunkel – und damit der eine oder andere wegen der zahlreichen Umtrunke nicht vom Wege abkam, war er abgesichert. Es gab wirklich einen sehr guten Zusammenhalt unter allen Anwesenden, und man blickte erwartungsvoll auf die neue Saison im nächsten Jahr.

Ende der Serie, die Teile erschienen am 30. Mai, 30. Juni, 31. Juli, 28. August, 5., 10. und 12. Dezember