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„Es ist der Kick der Beschleunigung“

Die Motorradsaison hat begonnen und die Meldungen über tragische Unfälle nehmen zu. Werner Helfen von der Verkehrswacht in Sachsen gibt Tipps.

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Der Motorradausflug endete für beide tödlich, als ein 51-Jähriger und seine Frau am 22. März von Hühndorf kommend in Richtung Wilsdruff unterwegs waren. Erst in der Woche zuvor verunglückte zudem ein Biker im Müglitztal. Der 30-Jährige musste mit schweren Verletzungen in ein Dresdner Krankenhaus geflogen werden, nachdem er mit seiner Maschine in einer Linkskurve von der Fahrbahn abkam und auf einen Transporter prallte. Keine Einzelfälle. Nahezu täglich meldet die Polizei derzeit Unfälle von Bikern. Werner Helfen von der Verkehrswacht, selbst Motorradfahrer, sagt, worauf man achten sollte.

Herr Helfen, Sie fahren seit 38 Jahren Motorrad. Wie oft sind Sie schon im Straßengraben gelandet?

Abgesehen von einem Ausrutscher am Anfang meiner Karriere, bei dem ich mich mit der Maschine hingelegt habe, fahre ich bislang unfallfrei. Toi, toi, toi.

Aber die Angst fährt mit, oder?

Was heißt Angst? Es gibt zwei Gründe für einen Unfall. Der eine ist, dass man selbst einen Fehler macht – zum Beispiel, indem man zu schnell fährt bzw. die Situation falsch einschätzt. Der zweite und viel häufigere Grund für einen Unfall mit Motorradfahrern ist, dass andere Verkehrsteilnehmer die Situation falsch einschätzen. Denn als Biker ist man relativ schnell und wird vergleichsweise schlecht gesehen.

Was reizt Sie, das Risiko einzugehen?

Auf der einen Seite ist es das Gruppengefühl, der Zusammenhalt. Auf der anderen Seite ist es natürlich der Kick der Beschleunigung. Zudem kann man sich immer wieder bestätigen – zum Beispiel in einer besonderen Schräglage um die Kurve zu fahren. Es ist toll, wenn es funktioniert.

Wenn nicht, dann wird es schnell gefährlich. Dem statistischen Landesamt zufolge sind im vergangenen Jahr in Sachsen 1591 Motorradfahrer verunglückt. Viele von ihnen im Frühjahr.

Ich sage mal so: Wenn man Motorrad fahren kann, dann ist es relativ ungefährlich.

Aber wenn man sich überschätzt, ...

... dann wird es auch gefährlich. Richtig. Es ist jedes Jahr das gleiche Problem. Man hat die vergangene Saison gut gemeistert und will im Frühjahr dort weitermachen, wo man im Herbst aufgehört hat. Doch das funktioniert nicht. Die Fahrbahn ist nicht so griffig, weil zum Beispiel noch Splitt liegt. Und auch körperlich und geistig ist man nicht so fit, weil die Fahrpraxis fehlt. Man sollte sich langsam wieder herantasten, sich an die Maschine gewöhnen und nicht auf der Lieblingsrunde gleich die Rekordzeit jagen. Auch sollte man zum Anfang kürzere Strecken fahren, regelmäßig Pause machen und genügend trinken – natürlich alkoholfrei.

Welche Tipps haben Sie noch?

Das Motorrad sollte man am besten von einer Werkstatt überprüfen lassen, ehe man das erste Mal nach dem Winter aufsteigt. Profil, Luftdruck, Bremsen, Stoßdämpfer, Lenkspiel – all das muss technisch einwandfrei funktionieren. Das ist die Lebensversicherung. Nicht zu vergessen die richtige und passende Motorradbekleidung.

Die Verkehrswacht und der ADAC bieten Sicherheitstrainings für Motorradfahrer an. Was halten Sie davon?

Manche denken natürlich, sie bringen alles und bräuchten so etwas nicht. Ich habe so einen Übungstag schon mitgemacht und hatte einen Aha-Effekt – wie viele andere Motorradfahrer, die ich kenne, übrigens auch. Außerdem sind solche Angebote perfekt, um nach dem Winter die Fahrpraxis zu üben. Wir bieten übrigens über die Landesverkehrswacht Sachsen einen speziellen Motorradsicherheitstag „Sicher in den Motorradfrühling“ an. Die Auftaktveranstaltung ist am 9. April von 10 bis 16 Uhr auf dem Parkplatz des Polo-Shops an der Kesselsdorfer Str. 332 in Dresden.

Was wird geübt?

Zum Beispiel das Bremsen auf verschiedenen Untergründen, das Hineinlegen in eine Kurve, die Blicktechnik. Die Biker werden zudem auf mögliche Gefahren im Straßenverkehr vorbereitet – etwa das plötzliche Ausweichen.

Wo ist es auf den Straßen in der Weißeritzregion besonders gefährlich?

Ich bin oft im Müglitztal unterwegs. Dort wurden viele Kurven durch Baumaßnahmen entschärft. Auch sonst hat sich viel getan. Heute gibt es in den meisten gefährlichen Kurven einen sogenannten Unterfahrschutz. Der verhindert, dass verunglückte Biker unter der Leitplanke durchrutschen oder gegen den Stützpfosten knallen. Stattdessen werden sie abgefedert, wodurch das Verletzungsrisiko sinkt.

Reicht das?

Es sollen weitere gefährliche Kurven mit dem Unterfahrschutz ausgerüstet werden. Sicher könnte noch mehr gemacht werden. Denn auch der Straßenzustand spielt eine Rolle für die Sicherheit der Motorradfahrer. Schlaglöcher oder Kanaldeckel sind gefährlich – genauso wie über einen Flickenteppich in Schräglage zu fahren. Allerdings sollte jeder Biker sich den Gegebenheiten anpassen und verhalten fahren – vor allem, wenn er die Strecke nicht kennt.

Es gibt Leute, die fordern, die Leistung der Maschinenzu drosseln.

Davon halte ich wenig. Wenn man beim Aufsetzen des Helmes das Gehirn ausschaltet, bringt das auch nichts. Ich kann auch mit einer Simson auf die Fresse fliegen und tödlich verunglücken. Und in Kurven spielt die Leistung keine Rolle. Außerdem können Tüftler eine auf 100 PS reglementierte Maschine ohne Probleme auf 150 PS tunen. Das Problem ist aber, dass das Fahrwerk, die Bremsen und die Abstimmung auf diese Leistung gar nicht ausgelegt sind.

Das Gespräch führte Sebastian Martin.