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Es muss rütteln, Mann!

Lack, Chrom, Gummi und satter Sound aus glänzenden Rohren. Lederjacken, bunte Helme, Gottesdienst und Livemusik. All das und einiges mehr war beim Treffen der Biker in Pretzschendorf am Wochenende zu erleben.

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Von Michael Matthes

Lack, Chrom, Gummi und satter Sound aus glänzenden Rohren. Lederjacken, bunte Helme, Gottesdienst und Livemusik. All das und einiges mehr war beim Treffen der Biker in Pretzschendorf am Wochenende zu erleben.

Ist ein „Bikertreffen“ auch ein „Motorradtreffen“? Für den Laien scheint da kein Unterschied, doch für so manchen Ritter der Landstraße liegen Welten dazwischen. In Pretzschendorf jedenfalls gab es am Wochenende das jährliche „Bikertreffen“, eine Veranstaltung für alle, die auf zwei oder drei Rädern und mit dem Tank zwischen den Knien am glücklichsten sind.

Bei schweißtreibender Sonnenglut war im benachbarten Freibad um die Mittagszeit einiges mehr los als auf dem Festgelände der Biker. Gelangweilt lümmelte etwa ein Dutzend Hartgesottener am Bierstand oder im Zeltschatten.

Während die Kids mit ihren Fahrrädern vor der aufgefahrenen Schießbude stehen und die Band auf der Bühne den Sound checkt, lass ich mir von einem echten Motorradfahrer des „German Brothers Motorcycle Clubs Freiberg“ erzählen, dass hier eigentlich nur Sonntagsfahrer einrücken, eben solche mit Fransenlederjacke und geflimmerten Maschinen ab Werk. Nee, das sei nichts, meint er. Und überhaupt, wer sich eine Harley ab Baujahr `85 kaufe und sagt, er hätte Harley verstanden, sei sowieso ein Lügner. Das versteh mal einer. Er nimmt einen guten Schluck aus dem Bierbecher und lässt danach mal die Maschine an. Jeder Kolbenschlag lässt den Ofen zittern. Ja, so muss das klingen. Maschine und Herzschlag im Gleichtakt. Ich wollte wissen, ob die Rüttelei nicht ein wenig anstrengend sei auf Dauer, aber das war wohl die falsche Frage. Es muss rütteln. Und wenn es aufhört mit der Schüttelei, bist du weg, Mann. Langsam merke ich, dass da mehr dahinter stecken muss, als nur am Gashahn zu drehen. Die Biker haben ihre eigene Philosophie vom Leben, jedenfalls die richtigen, belehrt er mich.

Mittlerweile stehen etwa 70 blitzende und meist schnell aussehende PS-Rösser auf dem Sportplatz, eingeparkt wie angetreten. Auf der Bühne heizt „Gideon“ die Biker an, denen es sowieso schon viel zu warm ist in ihrer Lederkluft. Lässig werden Helm und Jacke ab- und dann über die Yamaha, Harley, BMW oder Suzuki gestreift.

Aus Sadisdorf sind Harry und Robert gekommen, fünfzig und nach ihrem Dafürhalten echte Biker. Haben sich nach der Wende einen Traum erfüllt und sich dicke Maschinen gekauft, nachdem sie zu DDR-Zeiten mit MZ aus Zschopau unterwegs waren. Nur rumschrauben wollen sie nicht, eher fahrend die Landschaft genießen und Leute treffen, eben wie heute.

Auf der Bühne wird der „Bikergottesdienst“ ausgerufen. Pfarrer Roberto Jahn aus Lichtenstein, ein Schwergewicht in Lederhose, greift zur Bibel. „Wir haben keine Glocken hier, also lasst doch mal alle eure Maschinen an, damit wir den Gottesdienst auf diese Weise einläuten können“, fordert er auf. Nachdem sich die Qualmwolken vor der Bühne gelichtet haben, erklärt der selbst Motorrad fahrende Geistliche den Leuten seine Sicht der Dinge. „Jesus liebt Euch alle“, so die Botschaft, „auch wenn ihr Motorradfahrer seit.“ Und dann ging´s auf zur Rundfahrt Richtung Talsperre Lehnmühle.

Eine Maschine bleibt allerdings stehen. Sie gehört dem echten Motorradfahrer der German Brothers. Nee, sagt er. Das müsse er sich nicht geben. Wenn er fahren will, kann er das auch so tun, muss sich nicht in der Masse abquälen. Ja, die zur Spritztour aufgebrochenen Fahrer sind eben nur Biker, keine richtigen Motorradfahrer.