Von Friedrich Prüfer
Als Großmutter starb, standen wir, die Angehörigen am Grab. Wir packten unsere Posaunen und Trompeten aus. Ein letzter Gruß und was für einer! Nicht die strahlenden Posaunen von Jericho. Auch nicht die drohenden Posaunen des Jüngsten Gerichtes. Zwischen den hohen Bäumen des Friedhofs hallten seltsam quakende Töne. Tränen in den Augen, ein Kloß im Hals. Musik, zum Gotterbarmen.
Heute stehe ich oft an Gräbern, manchmal spielen auch Bläser dort. Bei der Feier wird gesungen. „Christ ist erstanden, von der Marter allen“ oder „Befiehl Du deine Wege“. Es muss gesungen werden! Kaum einer kennt die alten Choräle noch. Heute muss alles flockiger und peppiger sein. Das ist auch in Ordnung. Vielleicht spielen die Engel im Himmel nicht nur Bach, sondern auch Songs von Armstrong oder Unheilig, vielleicht tanzen sie zu Techno Beats?
An Höhepunkten des Lebens, zu Taufen, Konfirmationen gibt es in der Kirche schon einen Schatz modernerer Lieder: „Komm Herr segne uns“ oder „Ich möchte, das einer mit mir geht“. Im letzten Gottesdienst haben zwei Konfirmanden Leonard Cohens Hallelujah gesungen. Das war klasse, Gänsehaut garantiert. Ein Song, der auch gerne auf Benefizveranstaltungen erklingt. Sarah Connor sang für Katastrophenopfer in Haiti. Oder Unheilig hat sein Lied „An deiner Seite“ für einen Freund geschrieben, der dem Tode nahe war.
Am Grab eines Menschen möchte ich keine Stereoanlage. Ich möchte nicht nur einen Schalter betätigen und auf das hören. Ich möchte singen! Auch wenn es weniger nach strahlend himmlischem Jubel klingt, sondern eher einem gotterbärmlichen Jammern gleicht. Wenn es zum Gotterbarmen klingt – das soll mir recht sein. So ist es allemal gut und ehrlicher! Besser als stark zu tun und die Trauer, wie in einer Höhle zu verschließen. Besser als schweigend zu trauern, ist doch singend zu hoffen!?
„Wer singt, betet doppelt“, heißt es vom Kirchenvater Augustinus und diese alte Weisheit gilt auch heute noch. Vielleicht gerade weil sich der Sänger am Grab dem Versagen aussetzt, der Ohnmacht, keine richtigen Worte zu finden und keine richtigen Töne zu treffen.
Doch genau in diese Situation sagt sich Gott zu, der in dem erbarmungswürdigen Jesus zur Vollendung kommt. In einem Choral, mit seiner einfachen, leicht singbaren Melodie kann ich mich ganz einfinden, mit meiner unaussprechlichen Freude oder meinem abgrundtiefen Schmerz.