EU lehnt Zwangsgutscheine für abgesagte Reisen ab

Von Detlef Drewes, SZ-Korrespondent in Brüssel
Etliche Tausend Urlauber haben auf ihren Osterurlaub verzichten müssen. Nun stärkt die Brüsseler EU-Kommission ihre Rechte gegenüber Airlines und Reiseunternehmen. Denn anders als von der Bundesregierung geplant, darf die Touristikbranche ihre Kunden nicht mit Zwangsgutscheinen entschädigen und damit eine Erstattung des Reisepreises ausschließen. Dies hat EU-Justizkommissar Didier Reynders gegenüber der FAZ bestätigt: „Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass nationale Entscheidungen im Einklang mit dem EU-Recht stehen – und das lässt dem Verbraucher die Wahl zwischen Gutscheinen und der Rückerstattung der Kosten“, sagte der Belgier. Die Richtlinie für Pauschalreisen, die von allen Ländern übernommen wurde, schreibt vor, dass Rückzahlungen sogar innerhalb von 14 Tagen erfolgen müssen.
Anfang April hatte die Bundesregierung beschlossen, den angeschlagenen Fluggesellschaften und Reiseunternehmen unter die Arme zu greifen. Der Deutsche Reiseverband (DRV) bezifferte die Umsatzeinbußen zwischen Mitte März und Mitte April auf rund 4,8 Milliarden Euro. „Die gegenwärtigen Liquiditätsprobleme der Luftfahrtunternehmen beruhen zu einem nicht unerheblichen Teil auch auf Erstattungsansprüchen, die den Fluggästen infolge der wegen der Corona-Pandemie annullierten Flüge zustehen“, begründeten die Minister Christine Lambrecht (Justiz), Andreas Scheuer (Verkehr) und Peter Altmaier (Wirtschaft) in einem Schreiben an die Kommission Anfang April den deutschen Weg. Noch Mitte dieser Woche hatte sich der DRV bitter beklagt, dass die EU-Verwaltung bisher keine Entscheidung traf. Nun liegt sie vor.
Abgesicherte Gutscheine im Gespräch
Reynders äußerte zwar Verständnis für die Schwierigkeiten der Airlines und Tourismus-Konzerne, von denen auch die örtlichen Reisebüros betroffen sind. „Aber wir müssen pragmatische und für die Unternehmen wie die Verbraucher attraktive Lösungen finden.“ Diese dürften nicht darin bestehen, die Erstattung komplett auszuschließen und nur auf zwangsweise verordnete Gutscheine auszuweichen. Den Veranstaltern sei es allerdings durchaus gestattet, die Verbraucher zur Akzeptanz von Gutschriften zu ermutigen.
Viele Urlauber bestanden vor allem deshalb auf Barerstattung ihrer Reisekosten, weil sie befürchten, dass die Gutscheine, die bis Ende 2021 gelten sollten, durch steigende Preise nach dem Abklingen der Krise an Wert verlieren. Außerdem seien sie nicht davor geschützt, dass ihr Tourismus-Ansprechpartner vielleicht am Ende doch Konkurs anmelden müsse und die Bons für eine nächste Reise dann verfallen würden.
In Brüssel denkt man inzwischen über abgesicherte Gutscheine nach. Ein Fonds, den die Mitgliedstaaten auflegen, könnte dann die Auszahlung der Kunden im Insolvenzfall garantieren.
Beim DRV drängt man auf eine europäische Lösung, weil ohne Vorgaben aus Brüssel ein europaweiter Flickenteppich droht. Zwölf Mitgliedstaaten haben nach Angaben des Dachverbandes bereits „in einer Art Eigennothilfe nationale Regelungen beschlossen oder auf den Weg gebracht“, heißt es in einer Erklärung. Sollte die EU-Kommission nicht zügig handeln, müsse auch die Bundesregierung einen eigenen Weg gehen.
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