SZ + Leben und Stil
Merken

Ex-McDonald-Chef warnt vor Fastfood

Zucker ist eine Droge und so schädlich wie Kokain, sagt Harald Sükar. Der langjährige Spitzenmanager der Fastfood-Kette fordert nun gravierende Änderungen.

Von Susanne Plecher
Teilen
Folgen
Harald Sükar war 13 Jahre lang Spitzenmanager bei McDonald’s Österreich. Jetzt ist er Vegetarier und Unternehmensberater.
Harald Sükar war 13 Jahre lang Spitzenmanager bei McDonald’s Österreich. Jetzt ist er Vegetarier und Unternehmensberater. © Lukas Beck

Ein Burger mit Pommes, dazu Fanta , Cola oder Sprite und als Nachtisch ein Eis mit Karamellsoße – das macht viele Kinder glücklich und ihre Eltern zufrieden. Sie kommen wieder, klare Sache. 

So prägen Fast-Food-Ketten und Zuckerindustrie die Essgewohnheiten von Millionen Menschen – und richten damit schwere gesundheitliche Schäden an. Harald Sükar war lange Teil des Systems. Nun prangert er es an.

Herr Sükar, Sie waren 13 Jahre Chef von McDonald’s Österreich. Jetzt sind Sie ein Fast-Food-Gegner. Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Es hat tatsächlich einen gewaltigen Sinneswandel gegeben. Der hat mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun. Ich habe 110 Kilogramm gewogen und befand mich in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand. Dann habe ich begonnen, mich mit meinem eigenen Körper zu beschäftigen und zu analysieren, wie es dazu gekommen ist und was man dagegen tun kann. Ich habe mich mit wissenschaftlichen Studien befasst. Je tiefer ich da hineingestiegen bin, desto mehr wurde mir klar, dass alles, was ich früher verkauft habe, dazu beiträgt, die Gesundheit der Menschen zu verschlechtern.

Dass Fast Food ungesund ist, ist nicht gerade neu. Warum soll Ihnen das in Ihrer Position nicht klar gewesen sein?

Natürlich wusste ich, dass Fast Food dick macht – bei zügellosem Konsum, für den der Kunde aus Sicht des Konzerns ja selbst verantwortlich ist. Ich habe nicht realisiert, dass Zucker süchtig machen kann und dass Burger und Pommes keine guten Nährstoffe enthalten. Letztendlich habe ich die Aussagen, die die Konzerne ja noch heute tätigen, selber geglaubt.

Viele Fast-Food-Restaurants richten ihr Marketing auf Kinder aus. Wie wird das konkret bei McDonald’s betrieben?

Kids Marketing ist ein eigenes Segment im Konzernmarketing und ein klar durchdachtes, fein justiertes Instrumentarium, durch das Kinder ein Leben lang an den Konzern gebunden werden. Zum Beispiel durch das Happy Meal, wo es zu den Speisen ein kleines Spielzeug gibt und die Sammelleidenschaft bedient wird. Es gibt Kinderspielplätze, man kann seinen Geburtstag da feiern, Kinder dürfen im Restaurant mit den Fingern essen. Das finden sie toll.

Nun empfehlen Sie dringend, niemals mit Kindern zu McDonald’s und Co zu gehen. Warum sind Sie so rigoros?

Das größte Problem ist, dass in jungen Jahren die Geschmacksempfindung und die Geschmacksnerven geprägt werden. Das kann jeder bei sich selbst beobachten, wenn er an Speisen denkt, die seine Oma oder seine Mutter gekocht haben. Da kommen Glücksgefühle auf, im Gehirn erfolgt ein Dopaminausstoß. Den gibt es auch bei Zucker und zwar ganz extrem. Was da im Körper passiert, sind die gleichen Prozesse wie beim Konsum von Kokain und Heroin. Das ist in vielen wissenschaftlichen Studien aufgezeigt worden. Dazu kommt, dass die Zahl an Diabetes-Erkrankten immer weiter steigt. In Deutschland gibt es acht Millionen Diabetiker, alle 55 Sekunden kommt ein neuer hinzu. Das sind epidemische Ausmaße. Selbst bei Kindern werden nichtalkoholische Fettlebern diagnostiziert. Das heißt, sie zeigen die gleichen Symptome wie Alkoholkranke. Das liegt massiv am Zuckerkonsum. Die American Heart Association rät dazu, dass Kinder nicht mehr als 18 Gramm Zucker pro Tag zu sich nehmen. Aber in 0,4 Litern Cola stecken allein schon 42,4 Gramm.

Zucker ist schädlich, da wird niemand widersprechen, abgesehen von der Zuckerindustrie. Aber ihn mit Kokain gleichzusetzen, ist schon starker Tobak.

Es ist der gleiche Prozess! Wenn Sie Zucker in seiner physischen Form sehen, ist das auch ein weißes Pulver. Da gibt es eine Analogie. Kokain wird aus der Koka-Pflanze gemacht, Heroin aus Schlafmohn gewonnen. Die Pflanzen an sich sind nicht bedenklich, erst im raffinierten Zustand werden sie zur Droge. Ähnlich ist es beim Zucker. Als Zuckerrohr ist er in Ordnung, aber als raffinierter Zucker hat er ein hohes Suchtpotenzial. Er macht süchtig und krank. Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen Softdrinks Maissirup aus den USA als billiges Süßungsmittel verwendet wird. Das heißt, wir konsumieren gentechnisch veränderte Produkte.

Kinder lieben Chicken Nuggets, aber nach Hühnchenfleisch sehen die nicht unbedingt aus. Was ist drin?

Zu meiner Zeit wurde tatsächlich Hühnerfleisch verwendet. Aber die Nuggets werden im Öl frittiert, und dabei werden gesundheitsschädigende Stoffe freigesetzt.

Sie können dem Fast Food also nichts Positives mehr abgewinnen?

Eis und Getränke enthalten viel zu viel Zucker, Fleisch ist ungesund, die Pommes sind frittiert. Abgesehen vom Salat finde ich nichts, das man mit gutem Gewissen essen könnte. Das hat mich sehr getroffen, weil ich das in Massen in den Verkehr gebracht habe, ohne mir damals bewusst zu sein, was ich damit anrichte. Wenn man in die Thematik eintaucht, möchte man am liebsten nur noch Obst und Gemüse und maximal Bio-Fleisch essen.

Inzwischen gibt es bei McDonald’s auch Joghurt und frisches Obst. Sehen Sie darin eine Form von Greenwashing?

Nein, das ist eine gute Entwicklung. Der Konzern hat in Australien ein komplett neues System entwickelt, wo es Tofu, Quinoa und Salat gibt. Ich denke, dass kein anderes Unternehmen in der Lage wäre, das Konzept so zu verändern, dass wir eine gesunde, nachhaltige Ernährung bekommen.

Warum?

Es ist weit verzweigt, hat ein gutes Management und gute Konzepte. Wenn der Konzern das wöllte, würde er das schaffen.

Aber die Essgewohnheiten sind ja nun mal, wie sie sind. Was lässt sich tun, um sie aufzubrechen?

Wir müssen weg von den industriell gefertigten Lebensmitteln. Egal ob Burger oder Tiefkühlpizza – das ist alles der gleiche Schmarrn. Selbst vegane Burger sind industriell gefertigte Produkte und nicht gesund. Außerdem müsste sich die Legislative massiv einschalten. Coca-Cola hat es innerhalb weniger Monate nach Einführung der Zuckersteuer in Großbritannien geschafft, bei einem Großteil der Produkte den Zuckerwert entsprechend abzusenken. Aber in Deutschland setzt sich immer die Industrielobby durch. Man könnte sogar noch weiter gehen und auf eine Pommesverpackung ein Bild von einem amputierten Bein zeigen – ähnlich wie bei den Zigaretten. Der Warnhinweis müsste dann heißen: Dieses Produkt kann dazu führen, dass Sie Ihr Bein verlieren oder erblinden, aufgrund von Diabetes.

Das wäre sicher abschreckend.

Aber wir wissen das doch! Die Lebensmittelkonzerne verdienen ein Megageld auf Kosten der Allgemeinheit. Wir Verbraucher müssen am Ende die Rechnung zahlen mit persönlichem Leid und hohen Versicherungsabgaben. Wenn der Staat den Zucker besteuern würde, könnte er die Einnahmen für Prävention oder Aufklärung verwenden und die Steuer auf gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse senken, bei Bio-Ware gleich auf null. Die Menschheit würde dadurch viel gesünder und nachhaltiger leben und sich viele Ausgaben im Gesundheitsbereich sparen.

Das Gespräch führte Susanne Plecher.