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Existenzgründer unterwegs nach oben

Industriegeschichte. Freitals Industriekapitäne kommen fast alle von außerhalb. Im Blickpunkt Vogel, Schlegel und Mehlhose.

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Von Heinz Fiedler

Vier Dinge haben Julius Oskar Vogel und Friedrich Ernst Schlegel gemeinsam: Sie sind gebürtige Dresdner, gelten als tüchtige kreative Maschinenbauer, besitzen kein Kapital und ähneln sich äußerlich, als wären sie Brüder. Auf der Suche nach einem akzeptablen Wirkungsfeld müssen sie sich mit einem kümmerlichen Anfang und einer ungewissen Perspektive begnügen.

Auf Pump gründen sie in der Dresdner Oberseegasse eine Reparaturwerkstatt für allgemeinen Maschinenbau. Das geschieht am 1. März 1877. Was die Ausstattung anbetrifft, so reicht es gerade mal zum Allernötigsten. Bohrmaschine, Drehbank, Feldschmiede und etwas Handwerkszeug – damit müssen beide fürs Erste auskommen. Mitarbeiter kann man sich nicht leisten, die Gründer bleiben unter sich. Oft müssen sie tagelang auf einen Auftrag warten.

Mehr und mehr taucht der Gedanke auf, das Unternehmen wieder aufzugeben. Mit eiserner Disziplin und fachlichem Fleiß und Talent gelingt ihnen schließlich der Sprung in bessere Zeiten. Jeder Kundenwunsch wird auf das Genaueste erfüllt. Allmählich spricht es sich herum: Vogel und Schlegel arbeiten präzis und preiswert.

Einzug in Döhlen

Trotz Aufwind halten die zwei Dresdner Maß. Behutsam, immer in der geheimen Sorge, über das Ziel hinauszuschießen, steuern sie etwas größere Dimensionen an und stellen nach zwei Jahren einen Arbeiter ein. Ab 1890 nimmt der Gang der Entwicklung stürmische Formen an. Die Werkstatt in der Oberseegasse wird zu eng. Man baut an und aus. Bald jedoch wird den beiden Maschinenbauern klar, dass man ohne räumliche Veränderungen im größeren Stil zum Scheitern verurteilt ist.

In Dresden-Plauen erwirbt das Duo auf der Florastraße (später Biedermannstraße) ein Grundstück von immerhin 3 500 Quadratmetern. Platz genug für ein zweistöckiges Fabrikgebäude. Dabei bleibt es nicht – die Geschäfte florieren. Eine Folge: Vogel und Schlegel treten 1912 in die Industriegeschichte des Plauenschen Grundes ein.

Das Gespann siedelt sich auf Döhlener Flur an und lässt noch während des ersten Weltkrieges eine Reihe von Ergänzungsbauten vornehmen.

Mit der Döhlener Niederlassung wächst die Anzahl der Beschäftigten auf über 200. Hatte sich das Unternehmen zunächst nur mit der Instandsetzung von Maschinen befasst, so gehen Vogel und Schlegel nun zur Herstellung selbst entwickelter Dampfmaschinen und Transmissionen über. Der Aufwärtstrend verstärkt sich. Über 300 betriebseigene Maschinen werden in den Produktionsablauf mit einbezogen.

Für alle in Döhlen und Plauen gefertigten Modelle ist eine ebenso geschmackvolle wie zweckdienliche Formgebung typisch. Mehrfach werden Erzeugnisse auf internationalen Ausstellungen und Messen mit Medaillen, Diplomen und Auszeichnungen dekoriert. Ein weiterer Vorzug: Da das Unternehmen über ein großes Vorratslager von Transmissionsteilen verfügt, lassen sich Aufträge und Bestellungen aus dem In- und Ausland in kürzester Zeit realisieren.

Nach dem Tod von Julius Oskar Vogel 1919 leitet Kompagnon Friedrich Ernst Schlegel die Firma weiter. Spätere Nutzer der Produktionsgebäude an Freitals Hauptstraße sind u.a. Benn, VEB Kupplungswerk, das Autohaus Wirthgen und heute die Spielbühne.

Fabrik auf Schweinsdorfer Flur

Eine weit über die Grenzen des Weißeritztales hinaus bekannte Produktionsstätte hat ab 1912 an der Ortsgrenze zur souveränen Gemeinde Hainsberg ihren Standort – die Feilenfabrik Mehlhose. Der Gebäudekomplex auf Schweinsdorfer Flur gehörte übrigens bis vor über 90 Jahren zur Thodeschen Papierfabrik. Besitzer Franz Bernhard Mehlhose zählt zum Kreis der Unternehmer, die sich von der Pike auf praxisbezogen ihr Metier erarbeiten. Der Mann des Jahrgangs 1837 lässt sich in vierjähriger Lehrzeit beim Dresdner Handwerksmeister Harter als Feilenhauer ausbilden. Ab 1856 begibt sich der junge Geselle auf Wanderschaft. Seine ausgedehnten Tippeltouren führen ihn nach Süddeutschland, Breslau, Berlin und Erfurt. Aus Kassel bringt der unternehmungslustige Sachse seine spätere Gattin mit.

Wieder in heimatlichen Gefilden eingetroffen, baut Mehlhose 1860 in Radeberg eine Feilenhauerwerkstatt auf. Sechs Jahre später wird er in Neucoschütz ansässig, um nach dem Krieg von 1870/71 in einem Potschappler Grundstück sein Handwerk zu betreiben. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigt er bereits 40 Mitarbeiter in seinem Unternehmen. An der Hainsberger Grenze entsteht nach diversen Umbauten eine moderne Feilenschmiede mit drei Federhämmern.

Mit dem Ausscheiden des 1913 verstorbenen Begründers treten seine Söhne Richard und Albert seine Nachfolge an. 1923 reichen beide den Staffelstab an ihre Junioren Erich und Gerhard weiter. Letzte Station nach 1945: VEB Feilenfabrik Freital.