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"Kann ich mich im Bus mit Corona infizieren?"

Viele Sachsen trauen sich nicht mehr zum Arzt, in den Bus oder in klimatisierte Räume. Drei Ärzte beantworten Leserfragen rund um das Virus.

Von Steffen Klameth & Andreas Rentsch & Stephanie Wesely
 11 Min.
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Wenn man sich im Bus oder in der Straßenbahn nach dem Berühren der Haltestangen nicht gleich ins Gesicht fasst und sich zu Hause gründlich die Hände wäscht, hat man viel zur Infektionsvorbeugung getan.
Wenn man sich im Bus oder in der Straßenbahn nach dem Berühren der Haltestangen nicht gleich ins Gesicht fasst und sich zu Hause gründlich die Hände wäscht, hat man viel zur Infektionsvorbeugung getan. © unsplash.com

Das Coronavirus verlangt Medizinern momentan alles ab. Zwei Infektiologen und eine HNO-Ärztin aus Sachsen haben es trotzdem möglich gemacht, eine Stunde lang die vielen Fragen von Lesern zu beantworten. Und das raten sie:

Kann ich mich in einem Linienbus mit dem Coronavirus infizieren, wenn ich nicht weiß, ob sich dort eine erkrankte Person befunden hat?

Die Gefahr in Sachsen wird als gering eingeschätzt, da es erst zwei positiv getestete Fälle gibt. Wenn Sie sich nach dem Berühren der Haltestangen nicht gleich ins Gesicht fassen und sich zu Hause gründlich die Hände waschen, haben Sie viel zur Infektionsvorbeugung getan.

Wir haben für das Wochenende Konzertkarten. Der Konzertsaal ist klimatisiert. Infiziert man sich über Klimaanlagen schneller?

Dazu gibt es keine Hinweise. Es gab weltweit noch keinen einzigen dokumentierten Fall der Ansteckung über raumlufttechnische Anlagen.

Seit drei Tagen liege ich zu Hause und habe offenbar Bronchitis. Obwohl es mir schlecht geht, traue ich mich nicht zum Arzt, um mich nicht noch mit Corona zu infizieren. Was soll ich tun?

Sie sollten den hausärztlichen Bereitschaftsdienst oder bei Atemnot auch den Notarzt anrufen. Sie werden dann zu Hause aufgesucht und behandelt. Aber ohne ärztliche Hilfe sollten sie nicht bleiben.

Wir wollen am Sonntag zum Skifahren nach Alta Badia in die Dolomiten. Unsere Kinder wollen, dass wir sie und die Enkel danach zwei Wochen meiden. Ist das nicht zu ein wenig zu verbissen?

Nein, sondern das einzig Sinnvolle. Wenn sich die Lage in den nächsten zwei Wochen nicht grundlegend ändert, sieht es so aus, dass Sie nach Ihrer Rückkehr für 14 Tage unter Quarantäne gestellt werden. Schließlich führt das Robert-Koch-Institut jetzt auch die Region Südtirol als Risikogebiet. Wenn Sie das nicht auf sich nehmen wollen, würde ich an Ihrer Stelle momentan nicht dorthin fahren.

Manche Coronainfektionen verlaufen ja mild. Helfen dagegen dann ganz normale Erkältungsmittel wie Tee, Fiebersenker und Hustensaft?

Diese Mittel schwächen die Erkältungssymptome ab. Gegen die Viren wirken sie aber nicht. An einem Medikament und einer Impfung wird noch geforscht.

Kann man sich über Alltagsgegenstände mit Coronaviren infizieren?

Untersucht wurden Geldscheine und Zeitungen – auf diesen Materialien überleben die Viren nicht. Auf Glasflächen oder Tischplatten hingegen schon.

Desinfektionsmittel sind ausverkauft. Wie soll man sich denn da schützen? Ich bin sehr besorgt, da ich Rheuma habe und schon 74 Jahre alt bin.

Am besten schützen Sie sich durch häufiges, gründliches Händewaschen mit Seife und indem Sie Abstand zu Erkälteten halten, sich nicht anniesen oder anhusten lassen. Auch sollten Sie sich nicht so oft ins Gesicht fassen. Das verringert gleichzeitig die Ansteckungsgefahr mit Virusgrippe und anderen Erregern. Desinfektionsmittel sind im Alltag nicht nötig.

Was führt eigentlich zum Tod bei Covid-19?

Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Bei vielen, aber nicht allen Schwersterkrankten gab es gravierende Grunderkrankungen. Bei den meisten Verstorbenen in einem seriösen Bericht aus China war die Todesursache Lungenversagen.

Wir sind in der glücklichen Lage, noch Atemschutzmasken zu besitzen. Sollten wir die nun zum Schutz tragen?

Atemschutzmasken sind nur für Beschäftigte im medizinischen Bereich sinnvoll, die direkten Kontakt zu kranken Menschen haben. Wenn Sie selbst erkältet sind, kann so ein Schutz Sinn haben, um andere nicht anzustecken. Viel wichtiger ist aber die Händehygiene sowie das Einhalten der Nies- und Husten-Etikette. Eine Atemschutzmaske kann sogar Ihr Erkrankungsrisiko erhöhen, wenn sie nicht dicht abschließt und nicht mit frisch gewaschenen Händen angelegt wurde. Dann haben Viren und Bakterien in dem feucht-warmen Milieu unter der Maske ideale Vermehrungsbedingungen.

Dr. Sylvia Krug, Fachärztin für HNO-Heilkunde und stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen. 
Dr. Sylvia Krug, Fachärztin für HNO-Heilkunde und stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen.  © KV Sachsen

Ich hörte im Radio den Vorschlag eines Virologen, dass Schulen und Kitas jetzt auch bei uns 14 Tage Coronaferien machen sollten. Was ist davon zu halten?

Gar nichts, denn wer soll sich dann um die Kinder kümmern? Ärzte, Krankenschwestern, Busfahrer und viele andere wichtige Berufsgruppen müssten zu Hause bleiben und wären nicht arbeitsfähig. Damit käme unsere ganze Infrastruktur zum Erliegen. Nur einen Teil der Menschen zu isolieren, ist auch nicht sinnvoll. Hygienemaßnahmen sind viel effektiver.

Geht das Virus auch mit Durchfall daher? Ich habe das mal gehört, jetzt spricht aber keiner mehr davon.

Durchfall kommt etwa bei jedem 15. oder 20. Infizierten vor, also eher selten.

Ein Kollege ist infiziert aus dem Italienurlaub zurückgekehrt. Nun wurden wir in Quarantäne geschickt. Eine Familienangehörige bekommt aber gerade Chemotherapie und hat ein schwaches Immunsystem. Gefährde ich sie jetzt?

Das ist möglich. Deshalb bedeutet Quarantäne auch, zu Hause Abstand zu anderen Familienmitgliedern zu halten, vor allem wenn sie ein schwaches Immunsystem haben. Die allgemeinen Hygieneempfehlungen wie Händewaschen sollten Sie sehr genau befolgen.

Ich habe Asthma. Bin ich besonders gefährdet für einen schweren Verlauf der Viruskrankheit ?

Nein, sie haben das gleiche Risiko wie alle anderen Menschen.

Am Montag fahren wir in eine Kurklinik. Wie ist dort das Infektionsrisiko?

Patienten mit Atemwegserkrankungen werden in Rehakliniken nicht aufgenommen. Das Ansteckungsrisiko ist aber nicht höher als anderswo.

Wir sind im Rentenalter und wollen nach Australien und Neuseeland reisen. Laut Reiseveranstalter steht dem nichts entgegen. Welche Maßnahmen empfehlen Sie uns insbesondere im Flugzeug und auf dem Flughafen von Singapur?

Sie können Ihre Reise ruhigen Gewissens antreten, sollten aber die übliche Hygieneregeln einhalten. Die Regularien auf dem Flughafen in Singapur sind sehr streng. Dort werden Reisende engmaschig kontrolliert und keine erkälteten Personen eingelassen. Der Flughafen ist keine erhöhte Gefahrenquelle.

Wir sind gegen die normale Grippe und gegen Lungenentzündung (Pneumokokken) geimpft. Bietet das einen gewissen Schutz vor Coronaviren?

Nein, nicht direkt. Aber es hat sich herausgestellt, dass geimpfte Personen seltener erkranken. Offensichtlich gehen sie auch bewusster mit ihrer Gesundheit um.

Ich bin an Krebs erkrankt, meine Chemotherapie ist jetzt abgeschlossen, das Immunsystem aber sehr schwach. Wie lange dauert es, bis es sich wieder erholt hat, und kann ich etwas zur Immunstärkung tun?

Je nach Stärke und Dauer der Chemotherapie braucht das Immunsystem ein viertel bis ein halbes Jahr. Mittel zur Immunstärkung sind kontraproduktiv, da sie schlummernde Entzündungsherde anregen können. Ebenso sind Vitamine in Kapselform nicht zu empfehlen, weil sie der Körper schlechter aufnimmt als aus der Nahrung.

Wegen eines Hörsturzes nehme ich Prednisolon ein, was das Immunsystem schwächt. Bin ich damit gefährdeter für eine schwerere Coronainfektion?

Nein, kurzfristige Einnahmen von bis zu einem viertel Jahr sind unproblematisch.

Dr. Thomas Grünewald,
Leiter der Klinik für Infektionsmedizin am Klinikum Chemnitz.
Dr. Thomas Grünewald, Leiter der Klinik für Infektionsmedizin am Klinikum Chemnitz. © Uwe Mann

Ich leide an einer Autoimmunkrankheit, und meine Milz wurde entfernt. Welches Infektionsrisiko besteht für mich?

Sie haben ein hohes Infektionsrisiko gegenüber Bakterien, jedoch kein erhöhtes gegenüber Coronaviren. Sie sollten alle für Patienten ohne Milz empfohlenen Impfungen wahrnehmen. Das steht in Ihrem Milzpass. Auch ein Notfall-Antibiotikum sollten Sie immer dabei haben. Ihr Arzt müsste sie darüber informiert haben.

Meine Frau und ich (Ende 60) wollen am Wochenende zu einer Nilkreuzfahrt aufbrechen. Wir sind unsicher. Doch der Veranstalter winkt ab und will die Reise durchziehen. Was raten Sie?

In Ägypten gab es bis Donnerstag nur einen bestätigten Fall. Am Freitag meldete das Gesundheitsministerium des Landes zwölf neue Fälle auf einem Nil-Kreuzfahrtschiff. Ob das bislang geringe Risiko damit jetzt steigt, ist noch nicht zu sagen.

Wir haben für nächste Woche eine Kreuzfahrt zu den Kanaren gebucht und sind nun in Sorge, weil mein Mann an Schimmelpilzen auf der Lunge leidet. Sollen wir die Reise absagen?

Für Ihren Mann besteht in der Tat ein höheres Infektionsrisiko. Wenn er aber unter ärztlicher Kontrolle und sein Gesundheitszustand gut ist, dann können Sie die Reise durchaus unternehmen. Die Gefahr, sich auf dem Schiff mit dem Norovirus anzustecken, ist ungleich größer.

Vor 14 Tagen wurde bei uns im Büro ein Rotationsprinzip eingeführt, sodass wir die Arbeitsplätze täglich wechseln müssen. Nun haben alle Angst vor einer Ansteckung. Hat der Arbeitgeber nicht auch eine Fürsorgepflicht?

Es gibt hunderte verschiedene Viren, und Tastaturen können mit diesen kontaminiert sein. Selbst mit regelmäßiger Reinigung kriegen Sie das nicht komplett in den Griff. Sprechen Sie mir Ihrem Arbeitgeber und weisen Sie ihn auf das erhöhte Infektionsrisiko hin. Letztlich hat er im Falle eines Falles das Problem, dass seine Mitarbeiter krank werden und ausfallen.

Meine Schwiegertochter leidet an der Lungenkrankheit COPD und arbeitet als Zugbegleiterin. Täglich muss sie Hunderte Fahrscheine zur Kontrolle in die Hand nehmen. Ist sie stärker gefährdet?

Nach allem, was wir über das Coronavirus wissen, wird es nicht über Papier, also auch nicht über Fahrscheine übertragen. Dagegen besteht für Ihre Schwiegertochter ein viel höheres Risiko einer Influenza. Deshalb kann man ihr nur empfehlen, so oft wie möglich die Hände zu waschen und die übrigen Hygieneregeln einzuhalten. COPD-Patienten sind gegenüber Corona nicht stärker gefährdet als andere.

Ich bekomme schwer Luft, habe Herzrhythmusstörungen und erhöhten Puls. Könnten das auch Anzeigen einer Coronainfektion sein?

Eine Coronavirusinfektion zeigt sich mit den normalen Grippebeschwerden. Bei schwereren Verläufen mit einer Bronchitis kann auch mal Luftnot dazukommen. Herzrhythmusstörungen und erhöhter Puls hängen aber nicht mit Coronaviren zusammen.

Mein Mann ist 85 Jahre alt und 2015 zum letzten Mal gegen Lungenentzündung geimpft worden. Schützt diese Impfung vor dem Corona-Virus?

Nein. Diese Impfung schützt ausschließlich gegen eine Infektion mit Pneumokokken – das sind Bakterien. Es ist aber gut für ihn, dass er diesen Schutz hat. Der Hausarzt sollte ihn noch ein weiteres Mal mit Pneumovax impfen. Dieser Impfschutz hält dann mindestens weitere fünf Jahre.

Prof. Dr. Reinhard Berner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Dresden. 
Prof. Dr. Reinhard Berner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Dresden.  © Andreas Rentsch

Ich habe Husten mit Auswurf. Angesteckt habe ich mich wahrscheinlich bei meiner kranken Enkelin. Allerdings arbeite ich auch in einem Hort. Dessen Leiterin war in Südtirol zum Skifahren und ist vor etwa 14 Tagen zurückgekommen. Muss ich mir deswegen Gedanken machen?

Nein. Sie wissen ja im Grunde, woher Sie mit größter Wahrscheinlichkeit die Beschwerden haben. Die Rückkehr Ihrer Kollegin aus Südtirol vor 14 Tagen spielt dafür mit Sicherheit keine Rolle.

Ich kann nach einer Darmkrebs-OP am 11. März eine Reha auf Sylt machen. Dort müsste ich mit dem Zug hinfahren. Kann ich das bedenkenlos?

Für diese und die nächste Woche hätte ich keine Sorge. Ich würde Ihnen zuraten. Es sei denn, die Klinik meldet sich und sagt, Sie sollten besser nicht kommen. Solange nicht plötzlich Tausende neue Fälle in Deutschland auftreten, sehe ich in der Reise selbst kein nennenswertes Risiko für Sie.

Ich hatte im Dezember eine schwere Lungenentzündung, die aber ausgeheilt ist. Bin ich nun besonders anfällig für das Corona-Virus?

Wenn Sie vollständig genesen sind, haben Sie kein höheres Risiko als eine andere Person im gleichen Alter.

Meine Tochter hat am 17. März einen Eingriff beim Zahnarzt. Sollte dort jemand vorstellig werden, der kurz danach positiv auf das Corona-Virus getestet wird, muss doch die Praxis erst mal dichtgemacht werden. Wie wird dann mit anderen Patienten verfahren?

Geplante Eingriffe, die wegen eines solchen Szenarios ausfallen, müssen dann verschoben werden. Wenn es akut werden sollte und sie zum Beispiel Fieber bekommt, müssten Sie mit Ihrer Tochter in eine Notfallpraxis oder Kinder- und Jugendzahnklinik vorstellig werden.

Gibt es Erkenntnisse über die Immunität bei durchgestandener Covid-19-Erkrankung?

Noch keine Belastbaren. Man geht schon davon aus, dass eine Immunität entsteht. Stand heute halte ich es für unwahrscheinlich, dass man sich nach einer überstandenen Erkrankung erneut infiziert – vorausgesetzt, der Erreger wandelt sich nicht. Dieses Corona-Virus ist nach heutigem Wissensstand nicht wesentlich aggressiver oder bösartiger als irgendwelche bereits aufgetretenen Corona-Viren. Das Besondere ist, dass es ein völlig neues Virus ist. Es gibt also keinerlei Immunität in der Bevölkerung. Das bedeutet, dass sich das Virus in der gesamten Population in Windeseile ausbreiten kann. Es kann damit rein rechnerisch auch zu einer bedeutenden Anzahl von schweren Verläufen und Todesfällen kommen.

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