SZ +
Merken

Facharzt-Modell in Radeburg gescheitert

Versorgung. Sechs Mediziner geben ihre Zweitpraxis Ende dieses Monats auf, weil sie kein zusätzliches Budget bekommen.

Teilen
Folgen

Von Lars Müller

Die Wege zu Fachärzten werden von Juli an für viele Radeburger erheblich länger. Wie Hans-Theodor Dingler von der Bürgerinitiative zur Sicherstellung der fachärztlichen Versorgung in Radeburg gestern mitteilte, geben zwei Chirurgen, zwei Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten sowie ein Hautarzt und ein Neurologe ihre Zweitpraxen im Ärztehaus in der Würschnitzer Straße auf. Sie bekommen kein zusätzliches Budget für den kostendeckenden Betrieb von Praxisaußenstellen.

Stadtchef kritisiert KV Sachsen

Damit ist das so genannte Radeburger Modell gescheitert, das die fachärztliche Versorgung ähnlich den DDR-Polikliniken im ländlichen Raum sicherstellen sollte. Gespräche der Bürgerinitiative, von Bürgermeister Dieter Jesse (parteilos) und dem sächsischen CDU-Landtagsabgeordneten Matthias Rößler mit Krankenkassen, Kassenärztlicher Vereinigung, Sachsens Sozialministerin Helma Orocz (CDU) sowie Berliner Bundespolitikern blieben ergebnislos.

Bürgermeister Jesse macht vor allem die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Sachsen für das Scheitern verantwortlich. Nie seien Vertreter der KV zu Terminen erschienen, sondern hätten statt dessen unhöfliche Absagen geschrieben. „Die KV spielt ein mieses Spiel“, so Jesse. Die AOK habe sich zumindest die Ideen der Radeburger angehört und nach Lösungen gesucht, sei aber auch an der sturen Haltung der KV gescheitert. Für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen war die KV in Dresden telefonisch gestern Nachmittag nicht zu erreichen. Die Argumente, wonach der Landkreis Meißen ausreichend gut mit Fachärzten versorgt sei und deshalb keine Sonderreglungen notwendig wären, lässt Jesse nicht gelten. In Nossen, Lommatzsch oder Radeburg gäbe es zu wenig Spezialisten, so dass die Landbevölkerung weite Wege nach Radebeul oder Meißen in Kauf nehmen müsse. Dort aber warteten Patienten schon bis zu fünf Monate auf einen Termin beim Augenarzt, weiß der Radeburger Stadtchef.

Augenarzt dringend gesucht

Betroffen seien vor allem ältere Patienten. Krankentransporte über weite Strecke verursachten den Kassen zusätzliche Kosten. Gleichzeitig leide Handel und Gewerbe im ländlichen Raum, da ein Arztbesuch häufig gleich noch zu anderen Erledigungen genutzt werde.

Das Radeburger Rathaus will weiter versuchen, mit kostengünstigen Grundstücken, Mietnachlässen oder zinslosen Krediten, Fachärzte anzusiedeln. Händeringend werde ein Augenarzt gesucht, zwei Kontakte blieben bisher jedoch erfolglos. Ende 2004 klappte die Ansiedelung einer Frauenärztin mit Hilfe eines zinslosen Darlehens der Stadt. Die Kritik des Regierungspräsidiums an diesem Vorgehen sei inzwischen verstummt, so Jesse.