Von Stefan Schramm
Dichter Verkehr herrscht auf den kleinen Straßen im Übungsparcours der Kreisverkehrswacht Bautzen. Insgesamt 19 Mädchen und Jungen aus der vierten Klasse der Grundschule Göda drehen auf dem Gelände an der Bautzener Dr.-Salvador-Allende-Straße per Fahrrad ihre Runden. Und mittendrin stehen Lehrerin Petra Poldrack und Polizistin Doreen Hölzel-Dressler. Letztere ruft: „Achtung, nicht die Haltelinie überfahren!“ – „Rechts vor links!“ – „Keine Kreuzungen blockieren!“ Und die Schüler folgen ihren Anweisungen, lernen Runde für Runde im Verkehrsgarten dazu.
Doreen Hölzel-Dressler ist eine von drei Beamten des Polizeireviers Bautzen, die mit der Grundschüler-Radfahrausbildung betraut sind, daneben aber auch viele weitere Aufgaben der Präventionsarbeit erledigen. Bald ist es allerdings vorbei mit dem polizeilichen Fahrradkurs. An den Schulen machen schon länger Gerüchte die Runde, wonach die Ausbildung aus finanziellen Gründen komplett eingestellt wird. Ganz so kommt es dann aber doch nicht: Nur die Polizei steigt in absehbarer Zeit aus der Sache aus. „Ab 2016 soll sie den praktischen Teil der Radfahrerausbildung an Grundschulen nicht mehr übernehmen“, bestätigt Pia Leson vom sächsischen Innenministerium. Hintergrund ist die Strukturreform der Polizei, die sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren soll. Dabei werde auch die polizeiliche Prävention neu ausgerichtet.
Die Verkehrserziehung in der Grundschule ist fest im Lehrplan für den Sachunterricht verankert, wo sich die Viertklässler theoretische Kenntnisse aneignen. Bislang werden sie anschließend von besonders geschulten Polizeibeamten zum verkehrssicheren Radfahren praktisch angeleitet – an zwei Vormittagen auf Verkehrsübungsplätzen oder an geeigneten Orten außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs, wie es eben in der Tradition der vergangenen Jahre gewachsen ist. Grundlage dafür ist eine Verwaltungsvorschrift von Kultus- und Innenministerium über den Einsatz von Jugendverkehrsschulen. Nun aber bereitet eine Arbeitsgruppe beider Ministerien die Übertragung des praktischen Teils der Radfahrausbildung ab 2016 an einen geeigneten Dritten vor. Wer sie übernimmt, muss erst noch entschieden werden.
Eines steht aber fest: Die Radverkehrserziehung ist ein lukratives Geschäft. Erste Bewerber für eine Übernahme der bisher polizeilichen Präventionsaufgabe stehen in den Startlöchern. Fraglich ist nur, ob sie das auch leisten können. „Um die Radfahrausbildung künftig in der vorhandenen Qualität personell und finanziell zu sichern, bedarf es großer Anstrengungen“, sagt Dietmar Zanke, Vorsitzender der Kreisverkehrswacht Bautzen e. V. Sein Verein will die Radfahrausbildung weiterführen und wirbt derzeit mit Wahlprüfsteinen um politische Unterstützung. Schon jetzt ist die Verkehrswacht in die Ausbildung involviert, indem sie ihre Übungsplätze zur Verfügung stellt. Die logistischen Grundlagen sind also schon mal vorhanden. „Der gelbe Engel ist ein möglicher Mitbewerber. Er kann es aber nicht leisten, weil ihm die Einrichtungen dazu fehlen“, glaubt Zanke.
Nötig sei auf jeden Fall geschultes Personal. Auch wenn sie mit rund 30 Mitglieder zu den größeren Kreisvereinen der Landesverkehrswacht Sachsen zählt, bräuchte die Bautzener Verkehrswacht zusätzliche Leute, die die Aufgabe übernehmen. „Für uns ist das ein Schicksalsjahr“, sagt Dietmar Zanke. Die Schulträger zahlen für die Ausbildung auf dem Gelände der Verkehrswacht eine Gebühr. „Wenn das wegfällt, können wir zumachen“, sagt er, weiß aber auch: „Geld für die Prävention ist da. Es muss nur richtig eingesetzt werden.“
Die Polizei selbst hält die Weiterführung der Radfahrausbildung für notwendig. „Das Erlernen der Verkehrsregeln und das sichere Fahrradfahren ist für Kinder sehr wichtig, um sich sicher und unbeschadet im Straßenverkehr fortbewegen zu können“, weiß Polizeisprecher Thomas Knaup. Ihm zufolge können auch Vereine diese Arbeit leisten. Er nannte neben örtlichen Verkehrswachten auch den Radverkehrsclub ADFC als möglichen Kandidaten für eine Übernahme. Ausbilderin Doreen Hölzel-Dressler beurteilt negativ, dass sie die Tätigkeit eventuell bald beenden muss. „Wegen des Respekts der Viertklässler gegenüber der Polizei herrscht eine disziplinierte Atmosphäre bei der Schulung“, sagt sie und äußert Bedenken, „dass das künftig zu einer Geigelveranstaltung gerät“, wenn andere die Verkehrsausbildung machen.
Die Polizisten würden dann nämlich nur noch zur Abnahme der Abschlussprüfung kommen, bei der die Kinder ihr Wissen unter Beweis stellen können. Die Viertklässler der Grundschule Göda haben sie übrigens alle bestanden. Sie sind stolz und freuen sich darauf, ihre Kenntnisse anzuwenden. Der Straßenverkehr ist dadurch wieder ein bisschen sicherer geworden.